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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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der New York Times (als er den National Book Award für
seinen Roman Die Wonne bekam), und auf der Mittelseite von Inside View (als er verhaftet worden war, weil er seine dritte
Frau verprügelt hatte, die vor der Schauspielerin mit den
Smaragden), mußte unbedingt pinkeln.
Er fuhr das Motorrad an den Westrand des Highway 50,
indem er systematisch mit einem steifen linken Fuß herunterschaltete und schließlich am Asphaltrand zum Stillstand
kam. Gut, daß hier draußen so wenig Verkehr herrschte,
weil man im Great Basin seine Mühle nicht an der Böschung
parken konnte, selbst wenn man mal Amerikas berühmteste
Schauspielerin gefickt hatte (auch wenn sie da zugegebenermaßen schon ein wenig auf dem absteigenden Ast gewesen
war) und im Zusammenhang mit dem Nobelpreis für Literatur genannt worden war. Wenn man es versuchte, würde
das Motorrad aller Wahrscheinlichkeit nach zuerst mit dem
Klappständer einsinken und dann flach auf die Fußrasten
fallen. Die Böschung sah fest aus, aber das war zum größten Teil Angeberei - nicht viel anders als die Pose mancher
Leute, die er namentlich anführen konnte, einschließlich
desjenigen, für dessen eingehende Betrachtung er einen
Spiegel brauchte. Und versuch mal, eine siebenhundert
Pfund schwere Harley Davidson aufzuheben, wenn sie umgekippt ist, besonders mit sechsundfünfzig und außer Form.
Versuch’s nur.
Ich glaube nicht, dachte er, betrachtete die rot und cremefarben lackierte Harley Softail, ein Motorrad, über das jeder Purist die Nase gerümpft hätte, und horchte in der Stille, wie der
Motor beim Abkühlen knackte. Sonst waren nur noch der
heiße Wind und das leise Prasseln von Sand auf seiner Lederjacke - zwölf hundert Dollar bei Barney’s in New York - zu
hören. Eine Jacke, die geradezu prädestiniert war, um sich
darin von einer Schwuchtel des Interview-Magazins fotografieren zu lassen. Ich denke, diesen Teil sollten wir komplett streichen, oder nicht?
»Ist mir recht«, sagte er. Er nahm den Helm ab und legte ihn
auf den Sitz der Harley. Dann strich er sich langsam mit der
Hand über das Gesicht, das so heiß wie der Wind war und
mindestens doppelt so stark von der Sonne verbrannt. Er
dachte, daß er sich in seinem ganzen Leben noch nie so müde
oder so durch und durch fehl am Platz gefühlt hatte.
2
    Der literarische Platzhirsch ging mit steifen Schritten in die
Wüste, wobei sein langes graues Haar über die Schultern der
Motorradjacke strich und das Mesquiten- und Braunwurzgestrüpp gegen seine lederne Überhose (ebenfalls von
Barney’s). Er sah sich vorsichtig um, konnte aber weder aus
der einen noch aus der anderen Richtung jemanden kommen
sehen. Ein oder zwei Meilen westlich parkte etwas am
Straßenrand - ein Lastwagen oder möglicherweise ein Wohnmobil
-, aber selbst wenn Leute darin saßen, bezweifelte er,
daß sie den großen Mann ohne Fernglas pinkeln sehen können würden. Und wenn sie zusahen, na und? Immerhin war
das ein Trick, den die meisten Leute konnten.
Er machte den Reißverschluß auf
- John Edward Marinville, der Mann, den Harper’s einmal als »den Schriftsteller,
der Norman Mailer immer sein wollte«, und Shelby Foote als
»den einzigen lebenden amerikanischen Schriftsteller vom
Format John Steinbecks« bezeichnet hatte
— und zog seinen
einzigartigen Füller heraus, der so dringend geleert werden
mußte. Er mußte pissen wie ein Rennpferd, aber fast eine Minute lang tat sich nichts, er stand einfach nur da und hatte seinen trockenen Pimmel in der Hand.
Dann schoß endlich der Urin heraus und verlieh den fleischigen und staubigen Mesquiteblättern ein dunkleres, glänzenderes Grün.
»Gelobt sei Jesus Christus, Herr, ich danke dir!« bellte er mit seiner rollenden, bebenden Jimmy-Swaggart-Stimme. Sie war ein
großer Erfolg bei Cocktailpartys; Tom Wolfe hatte einmal so
sehr gelacht, als er sie zum besten gab, daß Johnny geglaubt
hatte, der Mann würde einen Schlaganfall bekommen.» Wasser
in der Wüste, das ist ja ‘ne Supernummer. Hallo, Julia!« Manchmal
glaubte er, daß es diese Version des »Halleluja« war, nicht sein
unersättlicher Hunger nach Alkohol, Drogen und jüngeren
Frauen, die die berühmte Schauspielerin veranlaßt hatte, ihn
während einer Pressekonferenz betrunken in den Pool des BelAire-Hotels zu stoßen … und dann mit ihren Smaragden weiterzuziehen.
Dieser Vorfall war nicht der Anfang seines Niedergangs gewesen, aber er stellte den Punkt dar, ab dem es unmöglich
wurde, den Niedergang zu übersehen
- er

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