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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hatte nicht mehr
nur einen schlechten Tag oder ein schlechtes Jahr, er hatte irgendwie ein schlechtes Leben. Das Bild, wie er in seinem tropfnassen weißen Anzug aus dem Pool kletterte und breit und
volltrunken grinste, war in der Rubrik »Fragwürdige Errungenschaften« der Zeitschrift Esquire erschienen und hatte
anschließend seine mehr oder weniger regelmäßigen Auftritte in dem Magazin Spy eingeleitet. Spy, das war seine feste
Überzeugung, war der Ort, wohin sich ein ehedem guter Ruf
zum Sterben verzog.
Als er an diesem Nachmittag nach Norden gewandt stand
und pißte, während sich sein Schatten lang nach rechts erstreckte, waren diese Gedanken wenigstens nicht mehr ganz
so schmerzhaft wie einst. Wie sie es in New York immer waren, wo heutzutage alles schmerzhaft war. In der Wüste
schien Shakespeares »Seifenblase Ruhm« nicht nur vergänglich, sondern gänzlich irrelevant zu sein. Wenn man zu einer
Art literarischem Elvis Presley geworden war
- alternd,
übergewichtig und immer noch auf der Party, wenn man
schon längst zu Hause sein sollte
-, war das gar nicht so
schlecht.
Er spreizte die Beine noch weiter, bückte sich ein wenig in
der Hüfte und ließ seinen Penis los, damit er sich den Rückenansatz massieren konnte. Man hatte ihm gesagt, daß man damit das Wasser ein wenig länger fließen lassen konnte, und er
vermutete, daß das zutraf, wußte aber, daß er lange, bevor er
nach Austin kam, dem nächsten kleinen Nevadakaff auf der
langen Straße nach Kalifornien, wieder pinkeln mußte. Seine
Prostata war eindeutig nicht mehr das, was sie mal gewesen
war. Wenn er heutzutage daran dachte (was häufig vorkam),
stellte er sie sich als aufgedunsenes, rissiges Organ vor, das
aussah wie ein von radioaktiver Strahlung gebackenes Riesengehirn in einem billigen Horrorfilm aus den fünfziger Jahren. Er wußte, er sollte sie durchchecken lassen, und zwar
nicht isoliert, sondern im Rahmen einer gründlichen Vorsorgeuntersuchung. Klar, das sollte er, aber he, es war ja nicht so,
daß er Blut pißte oder so was, und außerdem
Nun ja. Er hatte Angst, das war das Außerdem. Bei ihm war
wesentlich mehr nic ht in Ordnung, abgesehen davon, daß ihm
seine literarische Reputation in den letzten fünf Jahren wie Sand
durch die Finger gelaufen war, und als er Pillen und Schnaps
aufgab, war es nicht so viel besser geworden, wie er gehofft
hatte. In gewisser Weise war alles nur schlimmer geworden, seit
er beides nicht mehr schluckte. Das Problem mit der abstinenzbedingten Nüchternheit war, wie Johnny festgestellt hatte, daß
man sich an alles erinnerte, wovor man Angst haben mußte. Er
hatte Angst, ein Arzt könnte mehr finden als nur eine Prostata,
die ungefähr so groß war wie das Gehirn vom Planeten Arous,
wenn er den Finger in die unteren Körperöffnungen des literarischen Platzhirschs steckte; er hatte Angst, der Arzt könnte eine
Prostata finden, die so schwarz war wie ein verfaulter Kürbis
und so verkrebst wie … nun, so verkrebst wie die von Frank
Zappa gewesen war. Und selbst wenn der Krebs dort nicht lauerte, dann möglicherweise woanders.
In der Lunge, warum nicht? Er hatte zwanzig Jahre lang jeden Tag zwei Schachteln Camel geraucht, dann die nächsten
zehn drei Schachteln Camel Light, als käme irgendwie alles
wieder in Ordnung, wenn er Camel Light rauchte, seine Bronchien würden geputzt, seine Luftröhre aufpoliert, seine armen, teerverklebten Lungenbläschen gereinigt. Alles Käse. Er
rauchte jetzt seit zehn Jahren nicht mehr, weder Light noch
heavy, winselte aber immer noch bis zum Mittag wie ein alter
Karrengaul, und manchmal wachte er mitten in der Nacht
auf, weil er husten mußte.
Oder im Magen! Ja, im Magen, warum nicht dort? Weich,
rosa, vertrauensselig, der perfekte Platz, wo ein Unheil seinen
Lauf nehmen konnte. Er war in einer Familie unersättlicher
Fleischesser groß geworden, wo medium-rare bedeutete, daß
der Koch einmal heftig über das Steak blies, und das Konzept
»gut durch« unbekannt war; er liebte scharfe Soßen und scharfe
Pepperoni; er hielt nichts von Obst und Salat, es sei denn, man
litt an schwerer Verstopfung; er hatte sein ganzes Leben so gegessen, aß noch so, und er würde wahrscheinlich auch weiter so
essen, bis sie ihn in ein Krankenhausbett legten und ihm die
guten Sachen durch einen Plastikschlauch eintrichterten.
Im Gehirn? Möglich. Gut möglich. Ein Tumor, oder möglicherweise (das war ein ganz besonders aufmunternder Gedanke) ein unpassend früher Fall von Alzheimer.
In

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