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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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müssen.
Dann hörte er sich auf einmal Terry die ganze Sache erzählen. Als er fertig war, saß er auf seinem Bürostuhl, drückte
den Hörer ans Ohr, kniff die Augen zu und wartete darauf,
daß sie ihm sagen würde, er solle sich die Mühe mit den AAMeetings sparen und gleich zu einem guten Seelenklempner
gehen, und zwar pronto.
Statt dessen sagte sie ihm, er hätte die Disketten in eine Kasserolle legen und den normalen Herd benützen sollen. Er
wußte, sie machte einen Witz - und dieser Witz ging zumindest teilweise auf seine Kosten -, aber daß sie akzeptierte, wie
er war und wie er sich benahm, kam ihm trotzdem wie eine
kühle Hand auf einer fiebrigen Stirn vor. Sie billigte nicht, was
er tat, aber das war’s auch nicht, was er wollte.
»Natürlich bist du nie gut in der Küche gewesen«, sagte sie,
und er mußte laut lachen über ihren sachlichen Tonfall. »Also
was wirst du machen, Johnny? Hast du schon eine Idee?«
»Nicht die geringste.«
»Du solltest ein Sachbuch schreiben. Den Gedanken an
einen Roman ganz fallenlassen, jedenfalls eine Zeitlang.«
»Das ist Quatsch, Terry. Ich kann kein Sachbuch schreiben,
und das weißt du.«
»Ich weiß nichts Derartiges«, sagte sie mit einem scharfen
Mach-dich-nicht-lächerlich-Tonfall, den heutzutage niemand
sonst mehr ihm gegenüber anschlug - am allerwenigsten sein
Agent. Es schien, als würde Bill Harris um so kriecherischer
werden, je mehr er selbst vermasselte und in den Sand setzte.
»In den ersten zwei Jahren unserer Ehe mußt du mindestens
ein Dutzend Essays geschrieben haben. Und veröffentlicht.
Für viel Geld. Life, Harper’s, sogar zwei im New Yorker. Logisch, daß du das vergessen hast, schließlich warst nicht du
derjenige, der einkaufen und die Rechnungen bezahlen
mußte. Ich habe diese Texte geliebt.«
»Ja, die sogenannten Essays über das >Herz Amerikas<«,
sagte er. »Ich habe sie nicht vergessen, Terry, ich habe sie verdrängt. Eine Geldquelle, um die Miete zu bezahlen, als der Rest
des Guggenheim-Stipendiums verbraten war; und mehr waren
sie nicht. Sie sind nie in einem Buch gesammelt worden.«
»Du hast nicht zugelassen, daß sie gesammelt erschienen«,
entgegnete sie. »Sie haben nicht zu deinem goldenen Idealbild
literarischer Unsterblichkeit gepaßt.«
Darauf reagierte Johnny mit Schweigen. Manchmal haßte
er ihr Gedächtnis. Sie war selbst nie imstande gewesen, auch
nur einen Scheißdreck zu schreiben; die Sachen, die sie in dem
Jahr, als sie sich kennenlernten, an ihrem Honors Schriftstellerseminar eingereicht hatte, waren einfach gräßlich gewesen,
und seitdem hatte sie nie etwas Anspruchsvolleres als einen
Leserbrief veröffentlicht, aber wenn es um Datenspeicherung
ging, war sie unschlagbar. Das mußte er ihr lassen.
»Bist du noch da, Johnny?«
»Ich bin noch da.«
»Ich weiß immer, wann ich dir etwas sage, das dir nicht gefällt«, sagte sie fröhlich, »weil du nur dann die Klappe hältst.
Du wirst nachdenklich.«
»Nun, ich bin noch da«, wiederholte er mit einem Stoßseufzer und hoffte, sie werde das Thema wechseln. Was sie selbstverständlich nicht tat.
»Du hast drei oder vier dieser Essays geschrieben, weil
dich jemand darum gebeten hat, ich kann mich nicht erinnern, wer -«
Ein Wunder, dachte er. Sie kann sich nicht erinnern, wer. »- und ich bin sicher, du hättest damit aufgehört, aber inzwischen hattest du Anfragen von anderen Redakteuren bekommen. Mich hat das nicht im geringsten überrascht. Diese
Essays waren gut.«
Diesmal schwieg er nicht, um Desinteresse oder Mißbilligung anzudeuten, sondern weil er an damals dachte und sich
zu erinnern versuchte, ob sie wirklich gut waren. Terry konnte
man nicht hundertprozentig trauen, wenn es um solche Fragen ging, aber man durfte ihre Schlußfolgerungen auch nicht
einfach verwerfen, ohne gründlich darüber nachzudenken.
Als Verfasserin von Belletristik gehörte sie der »Ich-sah-einenVogel-bei-Sonnenaufgang-und-das-Herz-hüpfte-mir-in-derBrust«-Schule an, aber als Kritikerin war sie knallhart und zu
Einsichten fähig, die fast schon unheimlich waren … manche
grenzten an Telepathie. Einer der Gründe, weshalb er sich zu
ihr hingezogen gefühlt hatte (obschon er vermutete, die Tatsache, daß sie damals die besten Brüste in Amerika gehabt hatte,
war auch nicht ganz unerheblich gewesen), bestand in dem
Zwiespalt zwischen dem, was sie tun wollte - Romane schreiben -, und dem, was sie tun konnte, und zwar Kritiken schreiben, mit denen man Glas schneiden konnte.
Was die

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