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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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fahre.«
Terry hörte ihm gar nicht zu. Sie gehörte zu den wenigen
Leuten auf der Welt, die es ganz normal fanden, ihn einfach zu
ignorieren und ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. Er
vermutete, daß auch das ein Grund gewesen war, weshalb er
sich von ihr hatte scheiden lassen. Es gefiel ihm nicht, ignoriert zu werden, besonders von einer Frau.
»Du könntest mit dem Motorrad quer durchs Land fahren
und Material für eine neue Essaysammlung zusammentragen«, sagte sie. Sie hörte sich aufgeregt und amüsiert zugleich
an. »Wenn du die besten deiner frühen Essays an den Anfang
stellen würdest - als Teil Eins -, hättest du ein ziemlich ansehnliches Buch. Das Herz Amerikas, 1966 - 1996, Essays von
John Edward Marinville.« Sie kicherte. »Wer weiß? Vielleicht
bekommst du wieder eine gute Rezension von Shelby Foote.
Die hat dir immer am besten gefallen, oder nicht?« Sie wartete
auf seine Antwort, und als keine kam, fragte sie ihn, ob er
noch dran sei, zuerst unbekümmert, dann leicht besorgt.
»Ja«, sagte er. »Ich bin noch dran.« Plötzlich war er froh, daß
er saß. »Hör zu, Terry, ich muß gehen. Ich habe einen Termin.«
»Neue Freundin?«
»Pediküre«, sagte er, in Gedanken bei Foote, foot, Fuß. Der
Name war wie die letzte Ziffer der Kombination eines
Bankschließfachs. Klick, und die Tür geht auf.
»Also, paß auf dich auf«, sagte sie. »Und bei Gott, Johnny,
überleg dir, ob du nicht wieder zu den AA gehen solltest. Ich
meine, was kann es schaden?«
»Wahrscheinlich nichts«, sagte er und dachte an Shelby
Foote, der John Edward Marinville einmal den einzigen lebenden amerikanischen Schriftsteller von John Steinbecks
Format genannt hatte, und Terry hatte recht - von allen Lobpreisungen, die er je bekommen hatte, hatte ihm die am besten gefallen.
»Genau, nichts.« Sie machte eine Pause. »Johnny, ist alles in
Ordnung? Du hörst dich an, als wärst du völlig weggetreten.«
»Alles bestens. Grüß die Kinder von mir.«
»Tue ich immer. Normalerweise reagieren sie zwar mit Ausdrücken, die meine Ma Töpfchen-Wörter genannt hat, aber
ich grüße sie immer von dir. Tschüs.«
Er legte auf, ohne das Telefon anzusehen, und als es vom
Schreibtisch auf den Boden fiel, drehte er sich immer noch
nicht um. John Steinbeck war mit seinem Hund in einem alten
Kombi oder so quer durchs Land gefahren. Johnny hatte eine
fast neuwertige Harley Davidson Softail mit 1340 Kubikzentimetern in Connecticut stehen. Nicht Das Herz Amerikas. Damit
lag sie falsch, aber nicht nur, weil vor Jahren ein Film mit Jeff
Bridges so geheißen hatte. Nicht Das Herz Amerikas, sondern… »Reisen mit Harley«, murmelte er.
Es war ein alberner Titel, ein lächerlicher Titel, wie eine Parodie in Mad … aber war er schlimmer als ein Essay mit dem
Titel »Tod in der zweiten Schicht« oder »Nahrung für die
Flammen«? Er fand nicht… und er glaubte, daß der Titel funktionieren und über die Albernheit triumphieren würde. Er
hatte sich stets auf seine Intuition verlassen, und eine derart
starke hatte er seit Jahren nicht mehr gehabt. Er konnte mit seiner roten und cremefarbenen Softail durch das Land fahren
vom Atlantik, wo er Connecticut berührte, bis zum Pazifik, wo
er Nordkalifornien berührte. Eine Essaysammlung, die die
Kritiker veranlassen konnte, das Bild, das sie von ihm hatten,
gründlich zu revidieren, eine Essaysammlung, die ihn vielleicht wieder auf die Bestsellerlisten brachte, wenn … wenn … »Wenn sie von Großherzigkeit zeugt«, sagte er. Das Herz
schlug ihm heftig in der Brust, aber diesmal machte ihm das
Gefühl keine angst. »Großherzig wie Blue Highways. Großherzig wie … nun, wie Steinbeck.
Als Johnny Marinville so in seinem Arbeitszimmer saß, wo
das Telefon mißtönend zu seinen Füßen summte, sah er nicht
weniger als die Erlösung. Einen Ausweg.
Er hatte den Hörer aufgehoben und mit über die Tasten huschenden Fingern seinen Agenten angerufen.
»Bill«, sagte er, »hier ist Johnny. Ich sitze hier und habe über
ein paar Essays nachgedacht, die ich als Junge geschrieben
habe, und ich hatte einen phantastischen Einfall. Es wird anfangs vielleicht etwas verrückt klingen, aber hör mal zu …«
4
    Als Johnny die sandige Böschung zum Highway hinaufging
und versuchte, nicht zu sehr zu schnaufen und zu prusten, sah
er, daß der Kerl, der hinter der Harley stand und die Nummer
aufschrieb, das größte verdammte Stück Cop war, das er in seinem Leben je gesehen hatte - mindestens einsfünfundneunzig,
und mindestens

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