Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
und Stacheldraht ausspucken, und trotzdem hatte er
nicht die richtige Haut für dieses Klima.
»Für einen neuen Roman?« Der Cop war ganz aus dem Häuschen. Johnny warf einen kurzen Blick auf die Brust des Mannes und suchte nach einem Namensschild, fand aber keines.
»Nun, jedenfalls für ein neues Buch. Kann ich Sie etwas fragen, Officer?«
»Klar, sicher, aber ich sollte Ihnen die Fragen stellen, ich habe
etwa eine Trillion auf dem Herzen. Ich hätte nie gedacht… hier
draußen, mitten in der Wüste, und ich treffe … hei-li-ge Scheiße!«
Johnny grinste. Hier draußen war es heißer als in der Hölle,
und er wollte hier weg, bevor Steve ihm auf die Pelle rückte es stank ihm gewaltig, wenn er in den Rückspiegel blickte und
den großen gelben Lieferwagen sah, das machte irgendwie
die Stimmung kaputt -, aber es fiel ihm schwer, nicht von dem
ungekünstelten Enthusiasmus des Mannes gerührt zu sein,
besonders, da es um einen Gegenstand ging, den Johnny
selbst mit Respekt, Staunen und, ja, Ehrfurcht betrachtete.
»Nun, da Sie offenbar mit meinem Werk vertraut sind, was
würden Sie von einem Buch mit Essays über das Leben im
heutigen Amerika halten?«
»Von Ihnen?«
»Von mir. Eine Art lockerer Reisebericht mit dem Titel -« Er
holte tief Luft» Reisen mit Harley?«
Er war darauf vorbereitet, daß der Cop verwirrt dreinschauen oder losprusten würde, wie Leute es taten, wenn sie
die Pointe eines Witzes hörten. Der Cop machte keines von
beidem. Er betrachtete einfach weiter das Rücklicht von
Johnnys Motorrad, rieb sich mit einer Hand das Kinn (das
Kinn eines Comic-Helden von Bernie Wrightson, kantig und
mit einer Kerbe), runzelte die Stirn und dachte gründlich
nach. Johnny nutzte die Gelegenheit und sah verstohlen auf
seine Hand. Tatsächlich klebte Blut daran, sogar eine ganze
Menge. Größtenteils auf dem Handrücken und auf den Fingernägeln. Brr.
Dann sah der Cop auf und verblüffte ihn damit, daß er genau dasselbe sagte, was Johnny an den beiden letzten Tagen
seiner eintönigen Wüstenfahrt gedacht hatte. »Es könnte funktionieren«, sagte er, »aber der Umschlag müßte ein Foto von
Ihnen hier auf Ihrer Mühle zeigen. Ein seriöses Foto, damit die
Leute wissen, Sie wollen sich nicht über John Steinbeck lustig
machen … oder über sich selbst, wo wir schon dabei sind.«
»Das ist es!« rief Johnny, der sich kaum zurückhalten konnte, dem großen Cop auf die Schulter zu klopfen. »Das ist die
große Gefahr daran, daß die Leute denken, es handle sich um
eine Art von … von schrägem Witz. Der Umschlag sollte die
Seriosität des Unternehmens zum Ausdruck bringen … vielleicht sogar eine gewisse Strenge … was würden Sie davon
halten, wenn nur das Motorrad zu sehen wäre? Ein Foto des
Motorrads, vielleicht sepiafarben? Mitten auf einer Landstraße … oder auch hier in der Wüste, auf dem Mittelstreifen des Highway 50 … der Schatten erstreckt sich nach einer
Seite…«Ihm entging nicht, wie absurd es war, hier zu stehen
und diese Unterhaltung mit einem Cop zu führen, der ihn um
Haupteslänge überragte und gerade im Begriff gewesen war,
ihn zu verwarnen, weil er auf die Windhexen gepißt hatte,
aber nicht einmal das konnte seine Begeisterung dämpfen.
Und wieder sagte ihm der Cop genau das, was er hören
wollte.
»Nein«, sagte er. »Heiliger Strohsack, nein. Sie müssen
drauf sein.«
»Eigentlich finde ich das auch«, sagte Johnny. »Ich müßte
auf dem Motorrad mit runtergeklapptem Ständer sitzen, vielleicht die Füße auf die Fußstützen stellen … lässig, Sie wissen
schon, lässig, aber …«
»… aber richtig«, sagte der Cop. Er sah mit durchdringenden grauen Augen zu Johnny auf, dann wieder zu dem Motorrad. »Lässig, aber richtig. Kein Lächeln. Wagen Sie nicht, zu
lächeln, Mr. Marinville.«
»Kein Lächeln«, stimmte Johnny zu und dachte: Der Kerl ist
ein Genie.
»Und ein bißchen abwesend«, sagte der Cop. »Blick in die
Ferne gerichtet. Als würden Sie an die vielen Meilen denken,
die Sie hinter sich haben …«
»Ja, und an die vielen Meilen, die noch vor mir liegen.«
Johnny sah zum Horizont, um ein Gefühl für diesen Ausdruck zu bekommen
- der alte Krieger, der nach Westen
schaut, wie bei Cormac McCarthy -, und wieder sah er das
Fahrzeug, das eine oder zwei Meilen entfernt am Straßenrand
parkte. Seine Weitsicht war immer noch ziemlich gut, und das
Gleißen der Sonne hatte so weit nachgelassen, daß er fast
sicher war, es handelte sich um ein Wohnmobil. »Buchstäbliche und

Weitere Kostenlose Bücher