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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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…« Er schüttelte den Kopf, als
wollte er sagen: Sie wissen schon.
»Was haben Sie zu ihm gesagt?« fragte Johnny. »Das war erstaunlich, war es Indianisch? Ein indianischer Dialekt?«
Der große Cop lachte. »Ich kenne keine indianischen Dialekte«, sagte er. »Verdammt, ich kenne nicht mal Indianer. Das
war nur Babysprache, wie Da-da oder Wau-wau.«
»Aber er hat auf Sie gehört.«
»Nein, er hat mich angesehen«, sagte der Cop und warf
Johnny einen strafenden Blick zu, als wollte er dem anderen Mann verbieten, ihm zu widersprechen. »Ich habe seine
Augen gestohlen, das ist alles. Die Löcher seiner Augen. Ich
nehme an, das meiste, was einem diese Tierdressierer erzählen, ist für die Katz, aber wenn es um Viecher wie die Wüstenwölfe geht… nun, wenn man ihre Augen stiehlt, spielt es
keine Rolle, was man sagt. Normalerweise sind sie nicht gefährlich, jedenfalls wenn sie keine Tollwut haben. Sie dürfen
nur keine Angst an einem riechen. Oder Blut.«
Johnny betrachtete wieder den rechten Ärmel des großen
Cops und fragte sich, ob das Blut dort den Kojoten angelockt
hatte.
»Aber auf keinen Fall sollte man ihnen begegnen, wenn sie
im Rudel sind. Schon gar nicht, wenn sie einen starken Anführer haben. Dann kennen sie keine Furcht. Sie jagen einen
Hirsch oder Elch und hetzen ihn, bis ihm das Herz platzt.
Manchmal nur aus Spaß.« Er machte eine Pause. »Oder einen
Menschen.«
»Tatsächlich«, sagte Johnny. »Das ist …« Er konnte nicht
schon wieder tres unheimlich sagen, das hatte er schon gehabt.
»… faszinierend.«
»Das stimmt, was?« sagte der große Cop und lächelte. »Wüstengarn. Schriften im wüsten Land. Die Resonanz einsamer
Orte.«
Johnny sah ihn mit offenem Mund an. Auf einmal hörte sich
sein Freund, der Cop, wie Paul Bowles an einem Tag mit
schlechtem Karma an.
Er versucht, dich zu beeindrucken, das ist alles - Cocktailgeschwätz ohne Cocktailparty. Das hast du alles schon tausendmal
gehört.
Nun, vielleicht. Vielleicht stimmte das. Aber in dieser Situation hätte er trotzdem gerne darauf verzichtet. Irgendwo
in der Ferne ertönte wieder ein Heulen, das in der Luft bebte
wie ein akustisches Hitzeflimmern. Es war nicht der Kojote,
der gerade weggelaufen war, da war Johnny ganz sicher. Dieses Heulen kam aus größerer Entfernung, wahrscheinlich als
Antwort auf das erste.
»Oh, he, Auszeit!« rief der Cop aus. »Damit sollten Sie besser vorsichtig sein, Mr. Marinville.«
»Was?« Einen unbeschreiblich seltsamen Augenblick lang
hatte er den Eindruck, als spräche der Cop von seinen Gedanken, als praktiziere er neben einer prätentiösen elliptischen
Sprechweise auch Telepathie, aber der große Mann in der
Khakiuniform sah nicht einmal in seine Richtung. Er hatte sich
wieder zu dem Motorrad umgedreht und deutete auf die linke
Packtasche. Johnny sah, daß ein Ärmel seines neuen Ponchos leuchtend orangefarben, damit man ihn bei schlechtem Wetter
besser erkennen konnte - wie eine Zunge heraushing.
Wieso habe ich das nicht gesehen, als ich zum Pinkeln angehalten
habe? fragte er sich. Wie, in Gottes Namen, habe ich das übersehen
können? Und da war noch etwas. Er hatte in Ely an einer Tankstelle gehalten, und als er die Harley vollgetankt hatte, hatte
er die Packtasche aufgemacht, um die Karte von Nevada herauszuholen. Er hatte die Strecke von Ely nach Austin abgesteckt und die Karte anschließend wieder verstaut. Dann
hatte er die Packtasche zugeknöpft. Dessen war er ganz sicher,
aber jetzt war sie unbestreitbar offen.
Er war sein ganzes Leben lang ein intuitiver Mensch gewesen; Intuition, nicht Planung, war für seine besten Texte verantwortlich. Alkohol und Drogen hatten seine Intuition getrübt, aber nicht kaputtmachen können, und sie hatte sich
wieder eingestellt
- nicht vollständig, jedenfalls noch nicht,
aber zum Teil -, seit er trocken war. Als Johnny nun von dem
Ärmel des Ponchos, der aus der Satteltasche hing, zu dem
Cop sah, konnte er spüren, wie sämtliche Alarmglocken zu
läuten anfingen.
Das hat der Cop getan.
Das war völliger Unsinn, aber seine Intuition sagte ihm
trotzdem, daß es stimmte. Der Cop hatte seine Satteltasche
aufgemacht und den orangefarbenen Poncho ein Stück herausgezogen, während Johnny nördlich der Straße gestanden
und gepinkelt hatte. Und während der gesamten Unterhaltung hatte der Cop absichtlich so gestanden, daß Johnny den
heraushängenden Poncho nicht sehen konnte. Der Kerl war
nicht so hingerissen darüber, seinen Lieblingsschriftsteller

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