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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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metaphorische Meilen.«
»Jawoll, beides«, sagte dieser erstaunliche Cop. »Reisen mit
Harley. Gefällt mir. Hat Mumm. Aber selbstverständlich würde
ich alles lesen, was Sie schreiben, Mr. Marinville. Romane, Essays, Gedichte … verdammt, sogar Ihren Einkaufszettel.«
»Danke«, sagte Johnny gerührt. »Sie haben mir sehr geholfen. Wahrscheinlich werden Sie nie erfahren, wie sehr. Das
letzte Jahr war schwierig für mich. Eine Zeit der Selbstzweifel.
Ich habe meine eigene Identität und meine Ziele in Frage gestellt.«
»Darüber weiß ich selbst ein bißchen was«, sagte der Cop.
»Sie können sich das vielleicht nicht vorstellen, bei einem Typen wie mir, aber es ist so. Mann, wenn Sie wüßten, was für
einen Tag ich hinter mir habe … Mr. Marinville, könnte ich
vielleicht Ihr Autogramm haben?«
»Natürlich, wäre mir ein Vergnügen«, sagte Johnny und
holte seinen eigenen Notizblock aus der Gesäßtasche. Er
schlug ihn auf und überblätterte Notizen, Wegbeschreibungen, Straßenangaben, mit einem weichen Bleistift angefertigte
Kartenskizzen (letztere hatte Steve Ames gemacht, dem
schnell klargeworden war, daß sein berühmter Klient, der
zwar noch einigermaßen problemlos Motorrad fahren konnte,
sich ohne Hilfestellung selbst in den kleinsten Ortschaften
verirrte und dann vor Wut schäumte). Schließlich fand er eine
leere Seite. »Wie heißen Sie, Offi-«
Er wurde durch ein langes Geheul unterbrochen, das ihm
das Blut in den Adern gefrieren ließ … nicht nur, weil es eindeutig der Schrei eines wilden Tiers war, sondern auch weil
es aus so großer Nähe kam. Der Notizblock fiel ihm aus der
Hand, und er drehte sich so schnell um, daß er stolperte.
Am südlichen Straßenrand, keine fünfzig Meter entfernt,
stand eine Art räudiger Hund mit dünnen Beinen und ausgemergelten Flanken. Sein Fell war grau und von Kletten
verfilzt, und er hatte eine häßliche rote Schwäre am Vorderlauf, aber das alles bemerkte Johnny kaum. Ihn faszinierte die Schnauze des Tiers, die zu grinsen schien, und
seine gelben Augen, die dumm und verschlagen zugleich
dreinblickten.
»Mein Gott«, murmelte er. »Was ist das? Ist es ein -«
»Kojote«, sagte der Cop, der es Ki-jote aussprach. »Manche
Leute hier nennen sie Wüstenwölfe.«
Das hat er gesagt, dachte Johnny. Daß er einen Kojoten sieht,
einen Wüstenwolf. Du hast ihn nur falsch verstanden. Dieser Gedanke erfüllte ihn mit einer gewissen Erleichterung, obwohl
ein Teil seines Verstands überhaupt nicht daran glaubte.
Der Cop machte einen Schritt auf den Kojoten zu, dann
noch einen. Er blieb stehen, dann machte er den dritten
Schritt. Der Kojote wich nicht zurück, fing aber am ganzen
Leib zu zittern an. Urin spritzte unter seiner zerzaust aussehenden Flanke hervor. Eine Windbö verwandelte den armseligen Strahl in einen Schauer von Tropfen.
Als der Cop einen vierten Schritt auf ihn zu tat, hob der Kojote seine zerkratzte Schnauze und heulte wieder, ein langgezogener, wimmernder Laut, bei dem Johnny eine Gänsehaut
bekam und bei dem sein Hodensack sich zusammenzog.
»He, lassen Sie das«, sagte er zu dem Cop. »Das ist tres unheimlich.«
Der Cop beachtete ihn nicht. Er betrachtete den Kojoten, der
ihn mittlerweile ebenfalls stechend mit seinen gelben Augen
musterte. »Tak«, sagte der Cop. »Tak ah l ah.«
Der Wolf starrte ihn weiter an, als würde er dieses indianisch klingende Geplapper verstehen, und die Gänsehaut auf
Johnnys Armen wurde noch stärker. Ein weiterer Windstoß
blies sein hingefallenes Notizbuch zur Böschung, wo es an
einem vorstehenden Steinbrocken liegenblieb. Johnny bemerkte es nicht. Im Augenblick lag ihm nichts ferner als sein
Block und das Autogramm, das er dem Cop hatte geben wollen.
Das kommt in das Buch, dachte er. Alles andere, was ich bisher
gesehen habe, ist kalter Kaffee, aber das kommt rein. Auf jeden
Fall.
»Tak«, sagte der Cop wieder und klatschte einmal schallend
in die Hände. Der Kojote drehte sich und lief weg, wobei er
seine dünnen Beine mit einer Geschwindigkeit bewegte, die
Johnny nie erwartet hätte. Der große Mann in der Khakiuniform
sah dem Kojoten nach, bis der graue Pelz des Tiers mit dem
Grau der Wüste verschmolzen war. Was nicht lange dauerte.
»Heiliger Strohsack, sind die nicht häßlich?« sagte der Cop.
»Und in letzter Zeit sind sie zu einer regelrechten Landplage
geworden. Morgens oder am frühen Nachmittag, wenn es am
heißesten ist, sieht man sie nicht, aber am Spätnachmittag …
Abend … wenn es dunkel wird

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