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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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was haben Sie für
große Zähne. »Ich meine, das sind Sie doch, oder nicht? Sie haben Die Wonne geschrieben! Und, oh Scheiße, Das Lied des
Hammers! Ich stehe direkt neben dem Mann, der Das Lied des
Hammers geschrieben hat!« Und dann tat er etwas, das Johnny
wirklich rührend fand: Er streckte die Hand aus und berührte
den Ärmel von Johnnys Motorradjacke, als wollte er sich
vergewissern, daß der Mann, der sie trug, tatsächlich aus
Fleisch und Blut war. »Hei-li-ge Scheiße!«
»Nun, ja, ich bin Johnny Marinville«, sagte er in dem bescheidenen Tonfall, den er sich für solche Anlässe vorbehielt
(und, als feste Regel, nur für solche Anlässe). »Obwohl ich Ihnen gestehen muß, daß ich noch nie von jemand erkannt worden bin, der gerade Zeuge wurde, wie ich neben der Straße
gestanden und gepinkelt habe.«
»Oh, vergessen Sie das«, sagte der Cop und ergriff Johnnys
Hand. In dem Augenblick, bevor sich die Finger des Cops um
seine eigenen schlössen, sah Johnny, daß die Hand des Mannes ebenfalls mit halb getrocknetem Blut beschmiert war; Lebens- und Liebeslinie hoben sich in einem dunklen, leberfarbenen Rot ab. Johnny versuchte, das freundliche Lächeln zu
wahren, während sie einander die Hände schüttelten, und
glaubte, daß es ihm ziemlich gut gelang, aber er merkte, daß
seine Mundwinkel schwerer geworden zu sein schienen. Ich
kriege es ab, dachte er. Und ich kann es nirgendwo abwaschen, bevor ich nach Austin komme.
    »Mann«, sagte der Cop, »Sie sind einer meiner Lieblingsschriftsteller! Ich meine, heiliger Strohsack, Das Lied des Hammers … ich weiß, den Kritikern hat es nicht gefallen, aber was
wissen die schon?«
»Nicht viel«, sagte Johnny. Er wünschte sich, der Cop würde
seine Hand loslassen, aber der Cop gehörte offenbar zu den
Leuten, die einem nicht nur zur Begrüßung, sondern auch zur
Bestärkung und Bekräftigung die Hand schüttelten. Und obwohl er nicht fest drückte, konnte Johnny die latente Kraft in
diesem Griff spüren; wenn der große Mann richtig zudrückte,
würde sein Lieblingsschriftsteller sein nächstes Buch mindestens einen oder zwei Monate lang mit der linken Hand tippen.
»Nicht viel, verdammt richtig! Das Lied des Hammers ist das
beste Buch über Vietnam, das ich je gelesen habe. Vergessen
Sie Tim O’Brien, Robert Stone -«
»Nun, danke, vielen Dank.«
Endlich ließ der Cop los, und Johnny hatte seine Hand wieder. Er wollte nachsehen, wieviel Blut dran war, aber dies war
sicher nicht der richtige Zeitpunkt. Der Cop steckte sein
mißhandeltes Notizbuch wieder in die Gesäßtasche und
betrachtete Johnny mit einem durchdringenden Blick seiner
aufgerissenen Augen, der tatsächlich ein wenig beunruhigend
wirkte. Es sah aus, als fürchtete er, Johnny könnte verschwinden wie eine Fata Morgana, wenn er auch nur blinzelte.
»Was machen Sie hier draußen, Mr. Marinville? Heiliger
Strohsack! Ich dachte, Sie leben in New York!«
»Das stimmt, aber -«
»Und dies ist kein Transportmittel für einen … einen …
nun, ich muß es sagen, für eine nationale Berühmtheit. Ist Ihnen
klar, wie hoch die Unfallrate bei Motorrädern ist? Nach Stunden auf der Straße berechnet? Ich kann es Ihnen sagen, weil
ich ein Wolf bin und wir jeden Monat ein Rundschreiben von
der Nationalen Aufsichtsbehörde bekommen. Sie liegt bei
einem Unfall am Tag pro vierhundertsechzig Fahrern. Ich
weiß, das hört sich gut an, bis man sie mit der Unfallrate bei
Pkws vergleicht. Die liegt bei eins zu siebenundzwanzigtausend pro Tag. Das ist ein großer Unterschied. Da kommt man ins
Grübeln, was?«
    »Ja«, sagte Johnny. Hat er gesagt, daß er ein Wolf ist, oder habe
ich
mir das nur eingebildet? »Ja, diese Statistiken sind ziemlich …
ziemlich …« Ziemlich was? Komm schon, Marinville, reiß dich
zusammen. Wenn du eine Stunde mit einer unfreundlichen
Schlampe
von der Zeitschrift Ms. verbringen kannst, ohne etwas zu trinken,
dann kannst du doch wohl auch mit dem Typ hier fertigwerden.
Schließlich versucht er nur zu zeigen, daß er sich Sorgen um dich
macht. »Sie sind ziemlich eindrucksvoll«, vollendete er seinen
Satz.
»Also, was machen Sie hier draußen? Noch dazu auf einem
so unsicheren Transportmittel?«
»Ich sammle Material.« Johnny stellte fest, wie sein Blick zu
der blutigen Manschette des Cops wanderte und zwang sich,
wieder in das sonnenverbrannte Gesicht zu sehen. Johnny
bezweifelte, daß viele Leute dem Mann in seinem Revier
Schwierigkeiten machten; er sah aus, als könnte er Nägel verspeisen

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