Desperation
Gesichtshälfte war blutverschmiert. Sand klebte daran und bildete kleine Schnörkel und Kommas auf seinen Lippen und
Wangen und dem Kinn.
»He, Großkotz, du hast dir in die Hose gemacht«, sagte der
Cop.
Johnny sah an sich hinab und stellte fest, daß es stimmte. Du
kannst schütteln oder stoßen, dachte er. Sein linkes Bein pochte
wie ein entzündeter Zahn. Sein Arsch war immer noch weitgehend taub
- er fühlte sich wie ein Stück tiefgefrorenes
Fleisch an. Aber alles in allem, überlegte sich Johnny, sollte er
wohl dankbar sein. Wenn der Cop ihn beim zweitenmal etwas
höher getreten hätte, dann hätte er ihn möglicherweise gelähmt.
»Du bist ein trauriger Abklatsch von einem Schriftsteller,
und du bist ein trauriger Abklatsch von einem Mann«, sagte
der Cop. Er hielt einen riesigen Revolver in einer Hand. Er betrachtete den Beutel Dope, den er immer noch in der anderen
Hand hielt, und schüttelte angewidert den Kopf. »Ich erkenne
das nicht nur an dem, was du sagst, sondern auch an dem
Mund, mit dem du es sagst. Wenn ich dir zu lange auf dein
selbstgefälliges Maul sähe, würde ich dich gleich an Ort und
Stelle erschießen. Ich könnte mich nicht beherrschen.«
Kojoten heulten in der Ferne, wu-wu-WUHUUUU, wie etwas, das zum Soundtrack eines alten John-Wayne-Films
gehörte.
»Sie haben schon genug getan«, sagte Johnny mit einer benommenen, erstickten Stimme.
»Noch nicht«, sagte der Cop und lächelte. »Aber die Nase
war immerhin ein Anfang. Jetzt siehst du tatsächlich etwas
besser aus. Nicht viel, aber ein bißchen.« Er machte die hintere
Tür des Streifenwagens auf. Dabei fragte sich Johnny, wie
lange diese kleine Komödie gedauert haben mochte. Er hatte
absolut keine Ahnung, aber nicht ein Fahrzeug war während
der ganzen Zeit vorbeigekommen. Kein einziges. »Einsteigen,
Großkotz.«
»Wohin bringen Sie mich?«
»Was glaubst du denn, wohin ich ein selbstgefälliges, kiffendes Arschloch wie dich bringen werde? Ins alte calabozo. Und jetzt steig in das Auto ein.«
Johnny stieg in das Auto ein. Dabei strich er mit der Hand
über die rechte Brusttasche seiner Motorradjacke.
Das Handy war darin.
5
Er konnte sich nicht auf den Hintern setzen, der tat zu weh,
daher lehnte er sich auf seinen rechten Oberschenkel und hielt
eine Hand locker über seine pochende Nase. Sie fühlte sich
wie etwas Lebendiges und Böswilliges an, das tiefe, giftige
Stacheln in sein Fleisch bohrte, aber im Augenblick gelang es
ihm, nicht darauf zu achten. Laß das Handy funktionieren, betete er zu einem Gott, über den er sich den größten Teil seiner
Schriftstellerkarriere lang lustig gemacht hatte, zuletzt in
einer Geschichte mit dem Titel »Wetter, das der Himmel
schickt«, die in Harper’s veröffentlicht worden war und im
großen und ganzen wohlwollende Kritiken bekommen hatte. Bitte, laß das verdammte Telefon funktionieren, und bitte, laß Steve
es hören. Dann wurde ihm klar, daß er das Pferd vom Schwanz
aufzäumte, und er fügte eine dritte Bitte hinzu: Bitte, gib mir
eine Chance, das Telefon überhaupt zu benutzen, okay? Als wäre sein Gebet erhört worden, ging der große Cop an
der Fahrertür seines Streifenwagens vorbei, ohne einen Blick
hineinzuwerfen, und weiter zu Johnny’s Motorrad. Er setzte
Johnnys Helm auf, dann schwang er ein Bein über den Sitz da er so groß war, war es mehr ein Schritt als ein Schwingen-,
und einen Augenblick später erwachte der Motor der Harley
explosionsartig zum Leben. Der Cop stand breitbeinig über
dem Motorrad, die offenen Kinngurte des Helms hingen
an
den Seiten herunter. Er schien die Harley mit seinem eigenen,
weniger ansehnlichen Rumpf in ein Spielzeugmotorrad zu
verwandeln. Er drehte vier- oder fünfmal am Gashebel und
ließ den Motor aufheulen, als würde ihm das Geräusch gefallen. Dann stellte er die Harley aufrecht, kickte den Ständer
zurück und legte mit der Stiefelspitze den ersten Gang ein.
Anfangs bewegte er sich mit großer Vorsicht, was Johnny an
sein eigenes Verhalten erinnerte, als er das Motorrad aus der
Garage geholt hatte und zum erstenmal seit drei Jahren damit
gefahren war (seltsam, wenn man bedachte, daß das erst
einen Monat her war), und fuhr das Motorrad langsam die
Böschung hinunter. Er benützte die Handbremse und watschelte mit den Füßen, während er aufmerksam nach Hindernissen und Unebenheiten Ausschau hielt. Als er sich auf dem
Wüstensand befand, gab er Gas, schaltete schnell hoch und
wirbelte Fetzen der Salbeisträucher hoch.
Fahr in ein
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