Desperation
sagte, hörte sich wie das Dekret eines schwachen Königs
an. »Hören Sie zu?«
»Höre zu«, hatte Steve bekräftigt.
»Erstens: Du sollst nicht mit ihm trinken. Er ist schon eine
ganze Weile wieder trocken - vier, fünf Jahre, sagt er -, geht
aber nicht mehr zu den Anonymen Alkoholikern, und das ist
ein schlechtes Zeichen. Außerdem war das bei Johnny schon
immer so eine Sache, selbst mit den AA. Aber er trinkt nicht
gern allein. Also wenn er Sie fragt, ob Sie sich nach einem harten Tag auf der alten Harley nicht einen oder zwei genehmigen sollten, sagen Sie nein. Wenn er anfängt, Sie unter Druck
zu setzen, Ihnen sagt, es gehöre zu Ihrem Job, sagen Sie trotzdem nein.«
»Kein Problem«, hatte Steve gesagt.
Harris achtete nicht darauf. Er hatte seine Rede vorbereitet,
und er wollte sich daran halten.
»Zweitens: Du sollst ihm keine Drogen beschaffen. Nicht
mal einen einzigen Joint.
Drittens: Du sollst keine Frauen für ihn aufreißen … und
darum wird er Sie bitten, besonders wenn ein paar gutaussehende Schnepfen bei den Empfängen auftauchen, die ich auf
seiner Reisestrecke für ihn vereinbare. Es gilt dasselbe wie bei
Alkohol und Drogen, wenn er selbst welche aufreißt, ist das
was anderes. Aber helfen Sie ihm nicht dabei.«
Steve hatte überlegt, ob er Harris sagen sollte, daß er kein
Zuhälter war, daß Harris ihn da mit seinem eigenen Vater verwechselt haben müsse, entschied aber, daß das ziemlich rüde
gewesen wäre. Statt dessen beschloß er, zu schweigen.
»Viertens: Du sollst ihn nicht decken. Wenn er wieder anfängt, zu trinken oder Drogen zu nehmen - besonders wenn
Sie Grund zu der Vermutung haben, daß er wieder kokst -,
setzen Sie sich unverzüglich mit mir in Verbindung. Haben
Sie verstanden? Unverzüglich.«
»Ich verstehe«, antwortete Steve, und das stimmte, was
aber nicht bedeutete, daß er unbedingt gehorchen würde. Er
hatte beschlossen, daß er dieses Gastspiel trotz aller Probleme
geben wollte - teilweise gerade wegen der Probleme; ein Leben ohne Probleme war eine reichlich uninteressante Angelegenheit -, aber das bedeutete nicht, daß er seine Seele verkaufen würde, um dabeizubleiben, schon gar nicht an einen
Schlipsträger mit fetter Wampe und der Stimme eines zu groß
geratenen Jungen, der den größten Teil seines Lebens als Erwachsener damit verbracht hat, sich für echte oder eingebildete Demütigungen zu revanchieren, die er auf dem Hof des
Kindergartens erlitten hatte. Und auch wenn John Marinville
etwas von einem Arschloch hatte, machte Steve ihm das nicht
zum Vorwurf. Harris dagegen … Harris gehörte einer völlig
anderen Liga an.
An dieser Stelle hatte sich Appleton nach vorne gebeugt
und seinen einzigen Kommentar zu der Unterhaltung beigesteuert, bevor Marinvilles Agent zum letzten Gebot kam.
»Was für einen Eindruck haben Sie von Johnny?« fragte
er Steve. »Sie wissen, er ist sechsundfünfzig Jahre alt und
hat sein Fahrgestell einigen drastischen Belastungen ausgesetzt, besonders in den achtziger Jahren. Er ist dreimal in der
Notaufnahme gelandet, zweimal in Connecticut und einmal
hier. Die beiden ersten Male wegen Drogen. Ich plaudere
nicht aus dem Nahkästchen, weil alles - in aller Ausführlichkeit - durch die Presse gegangen ist. Das letzte Mal könnte
ein Selbstmordversuch gewesen sein, und das ist aus dem
Nähkästchen geplaudert. Ich würde Sie bitten, es für sich zu
behalten.«
Steve hatte genickt.
»Also, was meinen Sie?« fragte Appleton. »Kann er wirklich
auf einem Motorrad, das fast eine halbe Tonne wiegt, von
Connecticut nach Kalifornien quer durch das Land fahren
und unterwegs an zwanzig Lesungen und Empfängen teilnehmen? Ich will wissen, was Sie denken, Mr. Ames, denn offen gesagt, ich habe meine Zweifel.«
Er hatte damit gerechnet, daß Harris daraufhin explodieren
und die legendäre Strenge und den eisernen Willen seines Klienten preisen würde
- Steve kannte Schlipsträger, er kannte
Agenten, und Harris war beides -, aber Harris schwieg und
sah ihn nur an. Vielleicht war er doch nicht so dumm, überlegte Steve. Vielleicht lag ihm sogar ein klein wenig an diesem
speziellen Klienten.
»Sie alle kennen ihn viel besser als ich«, sagte er. »Verdammt, ich habe ihn erst vor zwei Wochen kennengelernt und
kein einziges seiner Bücher gelesen.«
Harris’ Gesicht sagte, daß ihn letzteres überhaupt nicht
überraschte.
»Genau darum frage ich Sie«, entgegnete Appleton. »Wir kennen ihn schon eine lange Zeit. Ich seit 1985, als er Partys der
Reichen und
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