Desperation
Kandidaten gemacht, der vor dem Supermarkt ihres Viertels auf Stimmenfang gegangen war. Der
Mann hatte den taktischen Fehler begangen und ihr ein Flugblatt in die Hand drücken wollen, obwohl sie beide Arme
voller Einkaufstüten hatte und zu spät zu einem Termin kam.
Sie war wie ein kleines, bissiges Tier auf ihn losgegangen und
hatte ihn gefragt, für wen er sich eigentlich hielte, wofür er
eintrete, was er zum Handelsdefizit zu sagen hätte, ob er je
Pot geraucht habe und ob er sich für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen einsetze. Beim letzten Punkt trumpfte er auf
-er sei tatsächlich für das Selbstbestimmungsrecht der Frau,
erzählte er Ellen Carver stolz. »Gut, großartig, ich habe mich
nämlich gerade eben entschieden, Ihnen zu sagen: GEHEN
SIE MIR AUS DEN AUGEN, ZUM TEUFEL!« hatte sie geschrien, und da hatte der Mann einfach den Schwanz eingezogen und die Flucht ergriffen. David hatte es ihm nicht verdenken können. Aber etwas im Gesicht der dunkelhaarigen
Frau (Mary, dachte er, sie heißt Mary) stimmte seine Mutter
um, falls sie überhaupt je vorgehabt hatte, zu explodieren.
Statt dessen sah sie wieder David an.
»Also - hat dir dein Gottkumpel was dazu gesagt, wie wir
aus diesem Schlamassel rauskommen? Du warst lange genug
auf den Knien, irgendeine Botschaft mußt du doch bekommen
haben.«
Ralph drehte sich wieder zu ihr um. »Hör auf, dich über ihn
lustig zu machen!« knurrte er. »Hör auf damit! Glaubst du, du
bist die einzige, die leidet?«
Sie warf ihm einen Blick zu, der gefährlich an Verachtung
grenzte, dann drehte sie sich wieder zu David um.
»Na?«
»Nein«, sagte er. »Keine Botschaft.«
»Es kommt jemand«, sagte Mary schneidend. Hinter ihrer
Koje befand sich ein Fenster. Sie stellte sich auf die Pritsche
und versuchte, nach draußen zu sehen. »Scheiße! Gitter und
Milchglas mit Draht drin! Aber ich kann es hören, ganz deutlich!«
David hörte es auch
- Motorengeräusch, das immer näher
kam. Plötzlich heulte der Motor auf. Dem Heulen folgte das
Quietschen von Reifen. Er drehte sich zu dem alten Mann um.
Der alte Mann zuckte die Achseln und hob die Hände, Handflächen nach oben.
David hörte so etwas wie einen Schmerzenslaut, dann
einen weiteren Aufschrei. Diesmal von einem Menschen. Es
wäre besser gewesen, sich der Täuschung hinzugeben, es
hätte sich um das Heulen des Windes in einem Rinnstein oder
einem Regenrohr gehandelt haben können, aber David war
ziemlich sicher, daß es ein Schrei gewesen war.
»Was, zum Teufel, ist da los?« sagte Ralph. »Himmel! Jemand schreit aus vollem Hals! Ist es der Cop, was meint ihr?«
»O Gott, ich hoffe es!« schrie Mary, die immer noch auf der
Pritsche stand und zu dem nutzlosen Fenster hinausschaute,
schrill. »Ich hoffe, jemand reißt dem Hurensohn die Lungen
aus der Brust!« Sie drehte sich zu den anderen um. Ihre Augen
waren immer noch müde, aber nun lag auch ein wilder Ausdruck in Ihnen. »Es könnte Hilfe sein! Haben Sie daran schon
gedacht? Es könnte Hilfe sein!«
Der Motor - nicht zu nahe, aber auch keinesfalls weit weg heulte auf. Die Reifen quietschten wieder, so wie im Kino oder
im Fernsehen, aber selten im richtigen Leben. Ein knirschender Laut folgte. Holz, Metall, möglicherweise beides. Ein kurzes Hupen, als wäre jemand aus Versehen auf die Autohupe
gekommen. Hallend und glasklar ertönte das Heulen eines
Kojoten. Ein weiterer Kojote stimmte ein, dann noch einer und
noch einer. Sie schienen die Hoffnungen der dunkelhaarigen
Frau auf Hilfe zu verhöhnen. Nun kam der Motor näher, leise
schnurrend, fast wie im Leerlauf.
Der Mann mit dem weißen Haar saß am Fußende der Pritsche und drückte die Hände zwischen den Beinen mit den
Fingerspitzen gegeneinander. Er sprach, ohne den Blick von
den Händen zu heben. »Machen Sie sich keine große Hoffnung.« Seine Stimme klang so trocken und rissig wie die
Salzwüsten westlich und nördlich von hier. »Das ist er und
kein anderer. Ich kenn das Geräusch von dem Motor.«
»Ich weigere mich, das zu glauben«, sagte Ellie Carver mutlos.
»Weigern Sie sich, soviel Sie wollen«, sagte der alte Mann.
»Spielt keine Rolle. Ich war in dem Komitee, das Geld für
einen neuen Streifenwagen bewilligt hat. Das heißt, kurz vor
Ende meiner Amtszeit, als ich mich aus der Politik zurückgezogen habe. Letzten November bin ich mit Collie und Dick
rüber nach Carson City gefahren, wo wir es bei einer DEAVersteigerung gekauft haben. Genau das Auto hier. Ich hab
den Kopf unter die Haube gesteckt,
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