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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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berührte die Schrotpatrone
mit den Fingerspitzen. »Einmal weiß ich es genau. Ich habe
ihn gebeten, Brian wieder gesund zu machen. Nachdem Dad
mit mir im Krankenhaus war, bin ich in die Bear Street Woods
gegangen, auf die Plattform geklettert, die Bri und ich dort auf
einem Baum gebaut haben, und habe Gott gebeten, ihn wieder gesund zu machen. Ich habe ihm gesagt, wenn er das tut,
würde ich ihm eine Art Schuldschein ausstellen. Weißt du,
was ich meine?«
»Ja, David, ich weiß, was ein Schuldschein ist. Und hat er
ihn schon eingelöst? Dein Gott?«
»Nein. Jedenfalls noch nicht. Aber als ich den Baum wieder
runtergeklettert bin, hat Gott mich gebeten, meinen VOMUNTERRICHT-BEFREIT-Ausweis an einem Nagel festzustekken, der aus der Rinde ragt. Als wollte er, daß ich ihn abgebe,
aber ihm, nicht Mrs. Hardy im Büro. Und noch etwas. Er wollte,
daß ich zur Kirche gehe und so viel ich kann über ihn herausfinde - was er ist, was er will, was er macht und was er nicht
macht. Wortwörtlich hab ich das nicht so gehört, aber ich habe
den Namen des Mannes gehört, zu dem ich gehen sollte - Reverend Martin. Darum bin ich zur Methodistenkirche gegangen. Ich glaube aber nicht, daß für Gott der Markenname eine
große Rolle spielt. Er sagte, ich sollte für mein Herz und meine
Seele zur Kirche gehen, und für den Verstand zu Reverend Martin. Zuerst wußte ich nicht mal, wer Reverend Martin ist.«
»Doch, das hast du gewußt«, sagte Ellen Carver. Sie sagte es
mit der leisen, beschwichtigenden Stimme von jemand, der
plötzlich begriffen hat, welche schwerwiegenden geistigen
Probleme sein Gesprächspartner hat. »Gene Martin ist zwei
oder drei Jahre nacheinander bei uns im Haus gewesen, um
für African Relief zu sammeln.«
»Wirklich? Ich hab ihn nicht gesehen, und er hat es nie erwähnt. Ich schätze, da muß ich in der Schule gewesen sein.«
»Unsinn«, sagte seine Mutter jetzt in einem Ton, der keinen
Widerspruch duldete. »Er war immer um Weihnachten herum bei uns, und da warst du nicht in der Schule. Jetzt hör mir
mal zu, David. Ganz genau. Als das mit Brian passiert ist,
mußt du … ich weiß auch nicht … gedacht haben, daß du
Hilfe von außen brauchst. Und dein Unterbewußtsein hat den
einzigen Namen freigegeben, den es kannte. Das ist der Gott,
den du in der Stunde deiner Not gehört hast - dein Unterbewußtsein, das nach Antworten suchte.« Sie drehte sich zu
Ralph um und sah ihn fast vorwurfsvoll an. »Diese zwanghafte Lektüre der Bibel war schon schlimm genug, aber das… warum hast du mir nichts von diesen Gebeten gesagt?«
»Weil es seine Sache zu sein schien.« Er zuckte die Achseln,
sah ihr aber nicht direkt in die Augen. »Und es hat keinem
weh getan.«
»O nein, Beten ist was Großartiges; ohne Beten wären die
Daumenschrauben und die eiserne Jungfrau nie erfunden
worden.« Das war ein Tonfall, den David schon öfter gehört
hatte, ein nervöser Befehlston, den sie immer anschlug, wenn
sie versuchte, nicht völlig zusammenzubrechen. So hatte sie
mit ihm und seinem Dad gesprochen, als Brian im Krankenhaus gewesen war; und sie hatte noch eine Woche so weitergemacht, nachdem Brian wieder zu sich gekommen war.
Davids Vater wandte sich von ihr ab, steckte die Hände in
die Taschen und sah nervös zu Boden. Das schien sie nur noch
wütender zu machen. Sie wirbelte mit zitternden Lippen zu
David herum; Tränen standen ihr in den Augen.
»Was für eine Abmachung hat er mit dir getroffen, dieser
wunderbare Gott? War es so, als hättest du mit deinen Freunden Baseballkarten getauscht? Hat er gesagt: >He, ich tausche
diesen tollen ‘84er Brian ROSS gegen diese ‘88er Kirsty Carver?< War es so? Oder eher -«
»Lady, er ist Ihr Sohn, und ich will mich nicht einmischen,
aber warum hören Sie nicht damit auf? Ich nehme an, Sie haben Ihre kleine Tochter verloren; ich meinen Mann. Wir hatten
alle einen harten Tag.«
Es war die Frau, die auf den Cop geschossen hatte. Sie saß
am Ende der Pritsche. Das schwarze Haar hing ihr wie
schlaffe Schwingen an den Wangen, verdeckte ihr Gesicht
aber nicht; sie sah schockiert, niedergeschlagen und abgespannt aus. Hauptsächlich abgespannt. David konnte sich
nicht erinnern, jemals ein so erschöpftes Augenpaar gesehen
zu haben.
Einen Augenblick dachte er, seine Mutter würde in ihrer
Wut auf die dunkelhaarige Frau losgehen. Es hätte ihn nicht
überrascht; manchmal explodierte sie bei vollkommen Fremden. Er erinnerte sich, als er sechs war, hatte sie es einmal mit
einem politischen

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