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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hinunterstieß. Nahm es ihm übel, zur Hölle, er haßte ihn dafür.
Hatte Moses Gott gehaßt, als er auf seinem kahlen Felsen saß und
mit ansehen mußte, wie Aaron die anderen über den Fluß in das
Land führte, wo MM und Honig flössen? Oder war der Bursche,
wie Reverend Martin angedeutet hatte, einfach nur froh darüber,
sie abziehen zu sehen, und daß seine Nächte nicht länger von der
lästigen Flammensäule erhellt wurden?
Schau in mich, Gott. Sei in mir, Gott. Schau in mich, sei in mir. Die Stimme Satans (wenn er es tatsächlich war; David
konnte es nicht mit Sicherheit sagen) verstummte, und eine
Zeitlang existierte nur die Dunkelheit.
Sag mir, was ich tun soll, Gott. Sag mir, was du willst. Und wenn
es dein Wille ist, daß wir hier sterben sollen, dann hilf mir, keine
Zeit damit zu vergeuden, wütend zu sein oder erschrocken oder
nach einer Erklärung zu schreien.
In der Ferne ertönte das Heulen eines Kojoten. Dann nichts mehr.
Er wartete und versuchte, empfänglich zu bleiben, aber es
kam immer noch nichts. Schließlich gab er auf und murmelte
die Endformel seines Gebets, die Reverend Martin ihm beigebracht hatte, in die hohle Hand: »Herr, mach, daß ich mir
selbst helfen kann, und hilf mir, nicht zu vergessen, daß ich
anderen keine Hilfe sein kann, wenn ich das nicht vermag.
Hilf mir, nicht zu vergessen, daß du mein Schöpfer bist. Ich
bin, wozu du mich gemacht hast - manchmal der Daumen an
deiner Hand, manchmal die Zunge in deinem Mund. Mach
mich zu einem Gefäß, das Dir zu Diensten ist. Danke. Amen.«
Er schlug die Augen auf. Wie immer sah er zuerst in die
Dunkelheit zwischen seinen gefalteten Händen, und wie immer erinnerte es ihn als erstes an ein Auge - an ein Loch, das
einem Auge glich. Aber wessen Auge? Gottes Auge? Das des
Teufels? Vielleicht nur sein eigenes?
Er stand auf, drehte sich langsam um und sah seine Eltern
an. Sie erwiderten seinen Blick, Ellie erstaunt, Ralph ernst.
»Nun, dem Himmel sei Dank«, sagte seine Mutter. Sie ließ
ihm Zeit, zu antworten, und als er schwieg, fuhr sie fort: »Hast du gebetet? Du warst fast eine halbe Stunde auf den Knien, ich
dachte, du wärst eingeschlafen, hast du gebetet?«
»Ja.«
»Machst du das immer, oder ist das eine Ausnahme?«
»Ich mache es dreimal täglich. Morgens, abends und einmal
irgendwann dazwischen. Damit bedanke ich mich für alles
Gute in meinem Leben und bitte um Hilfe bei den Sachen, die
ich nicht verstehe.« Er lachte
- ein kurzer, nervöser Laut.
»Und das sind eine ganze Menge.«
»Machst du das erst seit kurzem, oder schon seit du zu dieser Kirche gehst?« Sie sah ihn immer noch mit großen,
erstaunten Augen an, unter deren Blick David nervös wurde.
Teilweise lag es an dem blauen Auge - sie bekam ein Wahnsinnsveilchen, wo der Cop sie geschlagen hatte
-, aber das
war nicht alles, nicht einmal annähernd. Sie sah ihn an, als
hätte sie ihn vorher noch nie gesehen.
»Er tut das seit Brians Unfall«, sagte Ralph. Er berührte die
geschwollene Stelle über seinem linken Auge, verzog das Gesicht und ließ die Hand wieder sinken. Er starrte David zwischen zwei Gitterstäben hindurch an und sah so unbehaglich
aus, wie David sich fühlte. »Ich bin einmal nach oben gekommen, um dir einen Gutenachtkuß zu geben - das war ein paar
Tage, nachdem sie Brian nach Hause gehen ließen -, und ich
habe dich am Fußende des Betts auf den Knien gesehen. Zuerst dachte ich, du würdest… nun, ich weiß nicht, was anderes tun … aber dann habe ich etwas von dem gehört, was du
gesagt hast, und habe verstanden.«
David lächelte und spürte, wie seine Wangen heiß wurden.
Unter den gegebenen Umständen war das ziemlich absurd,
aber nicht zu ändern. »Ich mache es jetzt im Kopf. Ich bewege
nicht einmal mehr die Lippen. Ein paar Jungs haben mich einmal im Klassenzimmer murmeln gehört und gedacht, ich
hätte ein Rad ab.«
»Vielleicht versteht er es ja, aber ich nicht«, sagte Ellen.
»Ich spreche zu Gott«, sagte er. Das war jetzt peinlich, aber
wenn es einmal gesagt war, und zwar klar und deutlich,
mußte es vielleicht nicht noch mal gesagt werden. »Das ist beten, zu Gott sprechen. Am Anfang hat man das Gefühl, mit
sich selbst zu sprechen, aber später ändert sich das.«
»Weißt du das aus eigener Erfahrung, David, oder ist das etwas, was dein neuer Sonntagsfreund dir gesagt hat?«
»Aus eigener Erfahrung.«
»Und antwortet Gott, David?«
»Manchmal glaube ich, daß ich ihn höre«, sagte David. Er
steckte die Hand in die Tasche und

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