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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dem Sand, eins von diesen Dingern, wie die Leute sie zur
Zierde in ihre Aquarien legten, vermutete er, nur handelte es
sich hierbei nicht um ein versunkenes Schiff oder eine Schatztruhe oder Neptuns Schloß. Es war etwas anderes, das aussah
wie eine
»He, Steve«, flüsterte Cynthia mit kraftloser Piepsstimme.
»Das ist eine Hand.«
»Was?« fragte er und begriff ehrlich nicht, was sie ihm gerade gesagt hatte, obwohl er später dachte, daß er gleich erkannt haben mußte, was da auf dem Grund des Aquariums
lag, denn was hätte es sonst sein sollen?
»Eine Hand«, stöhnte sie fast. »Eine verdammte Hand.«
Als einer der Tigerfische zwischen dem Mittel- und dem
Ringfinger durchschwamm (an letzterem befand sich ein
schmaler goldener Ehering) sah er, daß sie recht hatte. Es waren Fingernägel daran. Über den Daumen verlief eine dünne
weiße Narbe. Es war eine Hand.
Er trat vor, obwohl sie ihn an der Schulter festhielt, und
bückte sich, um genauer hinzusehen. Seine Hoffnung, daß es
sich bei der Hand trotz des Eherings und der realistischen
Narbe um einen Scherzartikel handeln könnte, verschwand.
Fleischfetzen und Sehnen ragten aus dem Ende der Hand heraus. Sie wiegten sich wie Plankton in der Strömung, die vom
Wasserkreislauf des Aquariums erzeugt wurde. Und er konnte
die Knochen sehen.
Er richtete sich auf und sah Cynthia am Schreibtisch stehen.
Der hier war wesentlich aufgeräumter. Ein zugeklapptes Powerbook stand darauf. Daneben ein Telefon. Neben dem Telefon ein Anrufbeantworter, dessen rotes Signallicht blinkte.
Cynthia nahm den Hörer ab, horchte und legte ihn wieder
hin. Steve nahm erschrocken zur Kenntnis, wie weiß ihr
Gesicht war. Mit so wenig Blut im Kopf müßte sie eigentlich bewußtlos auf dem Boden liegen, dachte er. Statt ohnmächtig zu
werden, streckte sie den Finger nach der Abspieltaste des Anrufbeantworters aus.
»Lassen Sie das!« zischte er. Weiß Gott, warum, aber es war
ohnehin zu spät.
Ein Piepsen ertönte. Ein Klicken. Dann fing eine seltsame
Stimme - sie schien weder männlich noch weiblich zu sein
und machte Steve eine Heidenangst
- zu sprechen an. »Pneuma«, sagte sie in nachdenklichem Tonfall. »Soma. Sarx.
Pneuma. Soma. Sarx. Pneuma. Soma. Sarx.« Sie wiederholte
langsam immer wieder diese Worte und schien dabei konstant lauter zu werden. War das möglich? Er betrachtete
fasziniert die Maschine, und die Worte bohrten sich in sein
Gehirn
(Soma Sarx Pneuma)
wie scharfe kleine Teppichklammern. Er hätte die Maschine
Gott weiß wie lange anstarren können, wenn Cynthia nicht so
fest auf die Stoptaste gehauen hätte, daß die ganze Maschine
auf dem Schreibtisch hüpfte.
»Tut mir leid, nix da, zu gruselig«, sagte sie kleinlaut und
trotzig zugleich.
Sie verließen das Büro. Ein Stück entfernt, in dem Arbeitsraum oder Labor oder was auch immer, sangen die Tractors
immer noch von dem Boogie-woogie-Girl, das es bis unter die
Decke gestapelt hatte und einem ins Gesicht hielt.
Wie lang ist dieses Scheißlied bloß? fragte sich Steve. Es läuft
schon fünfzehn Minuten, mindestens.
»Können wir jetzt gehen?« fragte Cynthia. »Bitte?«
Er deutete den Hur entlang zu den hellgelben Lichtern.
»Herrgott, Sie sind verrückt«, sagte sie, aber als er in diese
Richtung ging, folgte sie ihm.
5
    »Wohin bringen Sie mich?« fragte Ellen zum drittenmal. Sie
beugte sich nach vorne und hakte die Finger durch das Gitter
zwischen Vorder- und Rücksitz. »Bitte, können Sie es mir
nicht sagen?«
Zuerst war sie erleichtert gewesen, daß sie nicht vergewaltigt oder getötet werden würde … und erleichtert, daß der
Leichnam der armen kleinen Kirsty verschwunden war, als
sie unten an der tödlichen Treppe ankamen. Aber vor der Tür
war noch der große Blutfleck gewesen, noch nicht ganz
trocken und nur zum Teil von verwehtem Sand bedeckt, der
daran kleben blieb. Sie vermutete, daß er von Marys Mann
stammte. Sie versuchte, darüber hinwegzusteigen, aber der
Cop, Entragian, hielt ihren Arm in seinem Klammergriff fest
und zog sie einfach durch, so daß ihre Turnschuhe zwei oder
drei häßliche rote Spuren hinterließen, als sie um die Ecke
zum Parkplatz gingen. Schlimm. Das alles. Schrecklich. Aber
sie war noch am Leben.
Ja, anfangs Erleichterung, aber die war einem wachsenden
Gefühl des Grauens gewichen. Zunächst einmal, was immer
gerade mit diesem schrecklichen Mann passierte, beschleunigte sich immer mehr. Sie konnte seltsam blubbernde Laute
hören, wenn seine Haut an verschiedenen Stellen riß, und

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