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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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es zwanzig nach sieben war. Was
natürlich bedeutete, sie hatten geschlossen. Aber wenn sie geschlossen hatten, was hatten dann in Gottes Namen die Autos
und Lastwagen auf dem Parkplatz zu suchen?
Er versuchte sein Glück an der Tür. Sie ließ sich öffnen. Aus
dem Inneren ertönte das Geräusch von Country-Musik, von
lautem statischen Rauschen unterbrochen. »/ built it one piece
at a time«, sang Johnny Cash, »and it didn’t cost me a dime.« Sie traten ein. Ein pneumatischer Arm schloß die Tür. Draußen heulte der Wind singend an den gewellten Blechwänden
des Gebäudes entlang. Sie befanden sich in einem Empfangsbereich. Rechts standen vier Stühle mit geflickten Vinylpolstern. Sie sahen aus, als würden sie überwiegend von stämmigen Männern in schmutzigen Jeans und Arbeitsstiefeln
benutzt. Ein langer Kaffeetisch stand vor den Stühlen, auf
dem sich Zeitschriften stapelten, die man nicht im Wartezimmer eines Arztes fand: Guns & Ammo, Road & Track, MacLean’s
Mining Report, Metallurgy Newsletter, Arizona Highways. Außerdem eine ganz alte Ausgabe von Penthouse mit Tonya
Harding auf dem Titel.
Direkt vor ihnen stand ein feldgrauer Schreibtisch, der so
verbeult aussah, als wäre er mit Fußtritten vom Highway 50
bis hierher befördert worden. Darauf stapelten sich Papiere,
ein windschiefer Stoß Bücher mit dem Titel MSHA Guideline (auf denen ein überquellender Aschenbecher stand) und drei
Drahtkörbe voller Steine. Eine Schreibmaschine stand an
einem Ende des Tischs. Einen Computer konnte Steve nicht
sehen. Ein Stuhl auf Rollen stand hinter dem Schreibtisch,
aber es saß niemand drauf. Überhaupt niemand hielt sich in
dem Raum auf, in dem es bei laufender Klimaanlage unangenehm kalt war.
Steve ging um den Schreibtisch herum, sah ein Kissen auf
dem Stuhl und hob es hoch, damit Cynthia es sehen konnte.
PARK DEIN ARSCH, hatte jemand in altmodischen Westernbuchstaben daraufgestickt.
»Oh, wie geschmackvoll«, sagte sie. »Unser Personal steht
zu Ihrer Verfügung; einfach Klingeling machen.«
Flankiert von einem Witz- (UND FÜHRE MICH NICHT IN
VERSUCHUNG, DENN ICH WERDE SIE AUCH ALLEINE
FINDEN) und einem Namensschild (BRAD JOSEPHSON)
stand das steife Studioporträt einer übergewichtigen, aber
hübschen schwarzen Frau zwischen zwei süßen Kindern.
Also ein Mann am Empfang, und nicht gerade Mr. Saubermann. Das Radio, ein altes, gesprungenes Motorola, stand zusammen mit dem Telefon auf einem Regal. »Right about then
my wife walked out«, wehklagte Johnny Cash durch wildes
Sperrfeuer statischen Rauschens, »and I could see right away
that she had her doubts. But she opened the door and said:
>Honey, take me for a-<«
Steve schaltete das Radio aus. Der bisher heftigste Windstoß
strich über die Hütte hinweg, so daß sie ächzte wie ein Unterseeboot bei hohem Druck. Cynthia, die immer noch das Taschentuch über der Nase trug, das er ihr gegeben hatte, sah sich
nervös um. Das Radio war ausgeschaltet, aber Steve konnte
Johnny Cash immer noch ganz leise singen hören, wie er sein
Auto im Frühstückskoffer aus dem GM-Werk geschmuggelt
hatte, Stück für Stück. Derselbe Sender, ein anderes Radio, weiter hinten. Wo das Licht brannte, vermutete Steve.
Cynthia zeigte auf das Telefon. Steve nickte, nahm ab und
lauschte. Dann legte er den Hörer wieder auf. »Tot. Muß
irgendwo eine Leitung abgerissen sein.«
»Sind die Leitungen heutzutage nicht unterirdisch verlegt?« fragte sie, und Steve fiel etwas Interessantes auf: Sie
unterhielten sich beide mit gedämpfter Stimme, wirklich
kaum mehr als ein Flüstern.
»Vielleicht sind sie in Desperation noch nicht dazu gekommen.«
Hinter dem Schreibtisch befand sich eine Tür. Steve streckte die Hand nach dem Griff aus, aber sie hielt seinen Arm fest.
»Was ist?« fragte Steve.
»Ich weiß nicht.« Sie ließ ihn los, hob die Hand, zog das Taschentuch herunter. Dann lachte sie nervös. »Ich weiß nicht,
Mann, das hier ist einfach so … verrückt.«
, »Es muß jemand da hinten sein«, sagte er. »Die Tür ist nicht
abgeschlossen, Lichter sind an, Autos auf dem Parkplatz …«
»Sie haben auch Angst. Oder nicht?«
Er dachte darüber nach und nickte. Ja. Es war wie vor den
Gewitterstürmen - den Fegern - in seiner Kindheit, nur war
die seltsame Freude daran abhanden gekommen. »Aber wir
sollten trotzdem …«
»Yeah, ich weiß. Weitermachen.« Sie schluckte, und er hörte
in ihrer Kehle etwas klicken. »He, sagen Sie mir, in ein paar Sekunden werden wir uns gegenseitig

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