Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)
Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es:
»Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.«
(§ 1631 , Abs. 2 BGB ) Und weiter:
»Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.«
(§ 1666 BGB )
Milliarden für das Kindeswohl
Das Familiengericht wird in der Regel auf Antrag des Jugendamtes tätig, das vom Gesetzgeber als Wächter des Kindeswohls eingesetzt worden ist. Im 8 . Sozialgesetzbuch heißt es hierzu:
»(
1
) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohles eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen (…) Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Erziehungsberechtigten anzubieten.
(
2
) Hält das Jugendamt das Tätigwerden des Familiengerichtes für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen; dies gilt auch, wenn die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken. Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen.
(
3
) Soweit zur Abwendung der Gefährdung das Tätigwerden anderer Leistungsträger, der Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei notwendig ist, hat das Jugendamt auf die Inanspruchnahme durch die Erziehungsberechtigten hinzuwirken. Ist ein sofortiges Eingreifen notwendig und wirken die Personensorgeberechtigten oder die Erziehungsberechtigten nicht mit, so schaltet das Jugendamt die anderen zur Abwendung der Gefährdung zuständigen Stellen selbst ein.«
(§ 8 a SGB , 8 . Buch)
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz enthält zudem einen umfangreichen Katalog an Leistungen zugunsten junger Menschen und ihrer Familien (§ 27 SGB , 8 . Buch) – etwa Erziehungshilfen, die Unterbringung bei Pflegeeltern oder in Einrichtungen für betreutes Wohnen. Diese Leistungen werden auf Antrag der Jugendämter von den Familiengerichten angeregt bzw. angeordnet.
Um »überforderte« Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen, senden die Jugendämter ganze Armeen von Erziehungs- und Familienhelfern aus. Bundesweit erhielten im Jahr 2010 mehr als 866 000 Kinder und Jugendliche Erziehungshilfen – und jedes Jahr werden es rund 30 000 Fälle mehr (
Stern,
32 / 2012 ).
Als Erziehungshelfer treten in aller Regel nicht die Jugendamtsmitarbeiter selbst in Aktion. Vielmehr beauftragen sie sogenannte freie Träger, die ihre Angestellten oder Honorarkräfte in die betroffenen Familien schicken – ein lukrativer Markt, auf dem sich kirchliche Verbände wie
Caritas
(katholisch) oder
Diakonisches Werk
(evangelisch) und eine unüberschaubare Vielzahl weiterer »gemeinnütziger« Organisationen tummeln.
Den Kinder- und Jugendschutz lässt sich der deutsche Staat einiges kosten: Mit mehr als 7 , 5 Milliarden Euro schlugen 2009 die bundesweit im Auftrag der Jugendämter durchgeführten Erziehungshilfemaßnahmen zu Buche. Allein in Berlin stellen freie Träger den Jugendämtern jährlich über 400 Millionen Euro für Erziehungshilfen in Rechnung – und mit der Zahl der Fälle von Kindesmisshandlung steigen auch die Kosten Jahr für Jahr dramatisch an (
Stern,
32 / 2012 ).
Warum aber werden hierzulande trotzdem 200 000 Kinder jährlich schwer misshandelt – meist von ihren eigenen Müttern und Vätern? Wieso kann der staatliche Kinder- und Jugendschutz nicht verhindern, dass Jahr für Jahr mehrere Hundert Minderjähriger an den Folgen ihrer Misshandlung sterben?
An der finanziellen Ausstattung unseres Kinder- und Jugendhilfe-Systems kann es nicht – oder zumindest nicht in erster
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