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Deutschland umsonst

Deutschland umsonst

Titel: Deutschland umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Holzach
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steht ein Heustadl , und auch zu essen gibt es reichlich. Im Vorübergehen ernte ich mir meine Gemüsesuppen zusammen, als Nachtisch gibt es mal Äpfel, mal Pflaumen, die Birnen sind leider noch nicht soweit. Jetzt ist Hochzeit für den Vagabunden. Bin ich die vegetarische Kost mal leid und steht mir der Appetit etwa nach Weißwürsteln mit Sauerkraut, so ist auch das zu haben, denn ich bin hier in Bayern. In jedem kleinen Ort, der sich ein Fremdenverkehrsamt leistet oder gar ein Rathaus, gibt es an der Kasse einen »Brotzeitgutschein für Durchwanderer « im Wert von drei bis fünf Mark, einige Gemeinden geben sogar Bargeld. Ob in Wertach, Bernbeuren, Burggen oder Rott , überall gilt nach wie vor eine alte Verordnung aus jener Zeit, da es noch zünftig war, als Wandergeselle durch die Lande zu ziehen. Segensreiche bayerische Rückständigkeit.
    Und in kaum einer Amtsstube werde ich schief angeschaut, wie ich das im Norden oft genug erlebt habe. Sachlich, als ginge es um die Verlängerung meines Personalausweises, stellen mir die Büroangestellten in korrekter Pflichterfüllung meinen Berechtigungsschein aus, machen ein Kreuz hinter die Rubrik »mittellos«, lassen mich unterschreiben und schicken mich zur Kasse.
    Auch nach Büroschluß und an Feiertagen ist der Tippelbruder in Bayern nicht so aufgeschmissen wie in nördlichen Bundesländern, denn — zum Glück — der Freistaat ist katholisch. Irgendwo läßt sich immer ein konfessionelles Krankenhaus oder Altenheim finden, ein Hospiz oder eine Wallfahrtskirche, irgendwo bekommt man immer etwas zu essen. »Do is a Ormer , der hat a höllischen Hunger«, heißt es dann etwa im Altenheim der Vincentinerinnen zu Nesselwang, und schon macht die Oberschwester Nudeln warm, obwohl die Küche längst geschlossen ist.
    Als ich in Andechs am Ammersee das Hinweisschild »Zum Kloster« entdecke, muß ich natürlich sofort an meine Erfahrungen in Marienstatt denken, habe gleich den Geschmack von Heilbutt und Götterspeise auf der Zunge, und ich erinnere mich an den freundlichen Frater Ambrosius, der die gute alte Ordensregel der Zisterzienser zitiert hatte: »Kommt ein Wanderer des Wegs, so beherberge ihn wie den Heiland selbst.« Entsprechend hoffnungsvoll läute ich an der Pforte. Ein Mann hinter Fensterglas drückt den Summer. Er trägt Schlips und Kragen, ist also kein Geistlicher. Ich sage, wer ich bin und bitte darum, mit einem Bruder sprechen zu können. »Um was dreht es sich denn ?« Vage umschreibe ich meine Lage, rede von meinem leeren Magen und der Nacht, die regnerisch zu werden droht. »Ja, wissen Sie«, sagt der Portier etwas unruhig geworden, »das ist im Augenblick ganz schlecht, wir haben hier wenig Platz, und ohne den Abt darf ich hier keinen Fremden hereinlassen, und der Abt ist leider nicht da, der ist in Amerika. «
    So schnell lasse ich mich nicht abspeisen. Da der Mann ein Laie ist, nehme ich an, daß er mit den Ordensregeln nicht vertraut ist, und beharre darauf, mit einem Vertreter des Klosters sprechen zu dürfen. Daß alle Brüder gerade beim Gebet sind — die Vesper müßte jetzt fällig sein — , ändert nichts an meinem Entschluß. Geduldig setze ich mich auf meinen Rucksack, streichle Feldmann und warte.
    Ein helles Glöckchen kündet vom Ende des Gottesdienstes. Durch die Scheibe sehe ich den Pförtner zum Telefonhörer greifen. Aus seinen Gesichtszügen läßt sich schließen, daß er nichts Gutes zu berichten hat. Auch was er zu hören bekommt, ist augenscheinlich unangenehm. Drei Telefongespräche dieser Art müssen geführt werden, bis endlich eine Tür aufgeht und ein dicker Mönch mit Vollmondgesicht energischen Schrittes auf mich zukommt. Ohne Begrüßung, ohne »Grüß Gott«, poltert er gleich pausbäckig los: »Von euch Gammlern haben wir genug. Fressen und saufen, das könnt ihr, wir sind doch kein Samariterhotel, außerdem ist die Küche schon zu .« Heiliger Bimbam! Hat dieser Priester seine Ordensregeln vergessen, das Gebot der Gastfreundschaft und Nächstenliebe? Woher weiß er denn so genau, daß ich ein schnorrender Gammler bin und nicht vielleicht ein wirklich Notleidender? Nach einem »Sieh zu, daß du fortkommst« hat sich der Dicke schon wieder abgewandt und will sich gerade durch die Tür zwängen, da fasse ich mir ein Herz. Kleinlaut, aber eben noch laut genug, sage ich: »Und was ist, wenn ich nun der Heiland bin ?« Der Satz sitzt. Betroffen hält der Mönch in seiner Bewegung inne. Langsam dreht er sich wieder um,

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