Deutschlandflug
gesichert werden. Daß am Eröffnungstag davon nichts auch nur halbwegs fertig war, war nur eine der vielen Pannen, die das Feld betrafen. Da gab es die Bahn 35, die als dritte den beiden Parallelbahnen 22 R und 22 L Entlastung bringen und bei entsprechenden Windverhältnissen benutzt werden sollte. In den ›Notams‹, den Notices for Airmen, hieß es dazu schlicht: Rwy 35/17 clsd ufn due WIP. In abkürzungsfreiem Englisch: Runway 35/17 closed until further notice due to work in progress . Auf Deutsch: Bahn 35/17 bis auf weiteres geschlossen wegen Bauarbeiten. Der Deckenbelag der Bahn hatte nicht termingemäß fertiggestellt werden können. Er wurde mit dem neuesten und kostspieligsten Spezialgerät aufgetragen, über das der europäische Straßenbau verfügte. Es gab nur eine einzige Firma in Deutschland, die über drei Maschinen dieses Typs verfügte. Und es gab fünf Spezialisten, die dieses computergesteuerte Gerät bedienen konnten. Alle drei Maschinen waren im besten Wartungszustand. Vier der Spezialisten hingegen lagen mit einer besonders hartnäckigen Art von asiatischer Grippe im Bett. Der fünfte war auf Kur in Bad Soden.
Eine ähnliche Panne war der Streifenbesatzung passiert, die am Nachmittag die Westseite abfahren sollte: Ihr Fahrzeug war auf dem Weg zum Flughafen in einen der sechs Verkehrsunfälle verwickelt worden, die in die negative Bilanz des festlichen Eröffnungstages eingingen. Zwei Beamte waren schwer, einer leicht verletzt worden.
So konnte die Gruppe der fünf Terroristen ungehindert bis etwa vierhundert Meter platzeinwärts gelangen. Hier, kurz vor der vorbeiführenden Landebahn 22 R, stand das rot-weiß bemalte runde Holzhäuschen für den UKW-Sen-der des Platzes. Das Funkfeuer hatte die Kennung OLD (Otto Lilienthal Deutschland) und die Frequenz 113.2. Eine Tür führte in den Rundbau, gedacht für die Techniker, die Wartungsarbeiten am Funkfeuer auszuführen hatten. Hier nistete sich die Gruppe ein. Der Tower bemerkte sie, als sie die Tür öffneten. Die Frage, weshalb diese Tür nicht verschlossen war, sollte die Juristen noch anderthalb Jahre lang nach dem ›Fall Lilienthal‹ beschäftigen.
Gundolf hatte die Gruppe zu jenem Zeitpunkt noch nicht entdeckt. Das Funkhäuschen stellte die äußerste Begrenzung seines Sichtfeldes dar. Einzelheiten waren nur mit dem Fernglas auszumachen. Nach Möglichkeit sah er hinter jeder startenden ›Avitour‹- Maschine her. Die letzte war vor anderthalb Stunden gestartet. Nach Rhodos.
Jetzt hatte er andere Probleme.
Das Telefon läutete.
Mit kurzem Handwinken entließ der Polizeipräsident seinen Assistenten.
»Querholz, Katastrophenstab!«
»Hier Börgel, Tower, Rollkontrolle. Da bewegen sich fünf mysteriöse Gestalten übers Rollfeld! Querbeet! Wenn unsere Ferngläser richtig justiert sind, würde ich sagen: Die haben Waffen bei sich! Jetzt nisten sie sich genau an der V.O.R. ein …«
»Wo bitte?«
»Am Funkhäuschen für den UKW-Sender, wenn ich mal so sagen darf.«
»Okay, nichts unternehmen bitte!«
»Ich werde mich hüten! Die sind doch gefährlich!« empörte sich der Fluglotse.
Jan Kaller raste die Ringstraße zum Flughafen hinauf. Rasch blieb er im frühabendlichen Stau stecken.
Sein Blick verlor sich in einem Chaos aus Stahl, Beton, Gerüsten, Steinkästen mit schütteren Pflanzen, Zufahrtsstraßen, Parkplätzen, Hinweisschildern. Von keiner Seite zeigte sich die technokratische Planlosigkeit des aus dem Boden gestampften Superhafens so eindringlich wie von der Frontseite her.
Gerade von hier aus war der kolossale Gesamteindruck, die Kühnheit, mit der sich der Bogen der Terminals über die Szenerie spannte, gelobt worden. Inzwischen waren bereits Bauarbeiten für ein Sheraton-Hotel im Gange, das ohnehin die Vorderfront zerstückeln würde. Es war ursprünglich nicht eingeplant gewesen.
Kaum hatte er dem diensthabenden Beamten seinen Namen und die Art seiner Beobachtung mitgeteilt, als der bereits seinen Präsidenten im Katastrophenstab anrief.
»Wie heißt der Mann. Kaller? Jan?« hörte man die kurz angebundene Stimme des Präsidenten. »Soll raufgebracht werden. Sofort!«
»An alle, die uns hören!«
Kam auf allen Walkie-talkies durch, die gerade eingeschaltet waren und bereits über die neue Reichweiten-Frequenz verfügten, die auch entlegene Gebiete des neuen Hafens erreichten.
In der FDZ hörten alle auf Allermanns Walkie-Talkie mit. Auch der Katastrophen-Stab war dabei; und Querholz war allen voran mit der
Weitere Kostenlose Bücher