Deutschlandflug
der Industrie- und Handelskammer Frankfurt. Vorsitzender des Gemeinschaftsausschusses der Gewerblichen Wirtschaft. Vorstandsmitglied des Wirtschaftsrates der CDU, eine Partei, die er später, als der Wind günstig wehte, in Windrichtung verließ. Nicht nur der SPIEGEL, auch besser informierte Blätter wie PARDON hatten sich oft mit seinem Richtungswechsel beschäftigt. Wie bei vielen der Politiker der fünfziger, sechziger und sogar noch der siebziger Jahre hatte seine Karriere im Dritten Reich begonnen. Damals war er Vorsitzender der Fachgruppe Nahrungsmittel der Wirtschaftsgruppe Groß-, Ein- und Ausfuhrhandel in Hessen gewesen. Logisch, daß eine derartige Kapazität sofort nach dem Zusammenbruch Präsident des Landesernährungsamtes wurde. Mit schöner Regelmäßigkeit hatte er sich auf den obligatorischen Reden unbeirrbar dazu bekannt, seine Pflicht und nichts als seine Pflicht zu tun; selbstverständlich florierte dabei seine private ›Dewoba‹ ausgezeichnet. Die Millionen-Kredite, die er zu Vorzugszinsen vergab, gelangten, die Wege des Herrn sind mannigfaltig, auch an seine eigene Firma. Böse Zungen behaupteten: ausschließlich. Nach einer Aufstellung, die 1972 lediglich in PARDON erschien, erhielten damals folgende Instanzen Sonderzuteilungen: Regierungsmitglieder, Abgeordnete, Ministerialkantinen, Nachrichtenbüros. Und jenes Landesernährungsamt, dessen Präsident er war.
Zur Verteidigung gegen Verleumdung aufgefordert, entgegnete der Minister unter lautem Applaus, PARDON sei kommunistisch unterwandert, das wisse doch jeder. Ende des Rechenschaftsberichtes.
Damals allerdings war er noch kein Minister, hoffte immer noch, ins Ernährungsministerium schlüpfen zu können. Lediglich der Verkehr stand ihm offen – dankbar nahm er, bar jeder Fachkenntnis, an.
Mochte der Minister in seiner jetzigen Position keine allzu gute Figur machen – er besaß einen untrüglichen Riecher für den Stellenwert seiner Kollegen, Gegner oder Konkurrenten. Querholz war mehr als angeschlagen, das roch er meilenweit gegen den Wind. Die Frankfurter Krawalle hatten nicht nur seine Gegner, sondern auch seine Mitstreiter zur offenen Kritik herausgefordert. Die einsamen Entschlüsse, die er selbstherrlich im Alleingang gefällt hatte, hatten sich stets als Bumerang erwiesen. Einerseits wurde das Vorgehen seiner Mannschaften in der Öffentlichkeit für zu brutal und rücksichtslos gehalten, andererseits rügte man intern sein Zögern und Verzögern von durchschlagenden Einsätzen, die eine kritische Situation hätten entscheiden können. Man verwies auf die Vorgänge während der Münchner Olympischen Spiele, bei denen die Polizei keine übermäßig gute Figur gemacht hatte. Freilich mußte der Minister dem Polizeipräsidenten einen schweren Stand zugestehen: Die Polizei mochte zu brutal oder zu rücksichtsvoll vorgehen, stets würde sie von irgendeiner Seite kritisiert werden.
Was Querholz brauchte, war ein eindruckerweckender Erfolg, bewirkt durch klare, harte Entscheidungen. Sein unentschlossenes Zögern bei den letzten Einsätzen, aufgrund der massiven Tränengas-Vorwürfe, hatte das Vertrauen in seine Fähigkeiten auf den Nullpunkt sinken lassen.
Die Terrorbombe in der ›Steppenadler‹ entschied nicht nur über das Schicksal der Insassen. Sie war auch für Querholz die letzte Chance.
Der Arbeitstisch aus rauh gehobeltem Eichenholz war übersät mit Werkzeug und Metallteilen. Zwei Stehlampen überschütteten ihn mit grellem Licht. Hinter dem Kellerfenster wurde am oberen Rand ein fast voller Mond sichtbar, der im Geäst von Gartenbäumen zu hängen schien.
Bis auf die Tischplatte war der Raum in Dunkel gehüllt. Aus diesem Dunkel heraus tasteten gelegentlich zwei Hände, die einer Frau gehören mußten, und fügten Teile zusammen: Kabel, Drähte, eine Membrane. Die Finger waren übermäßig schlank, mit langen, unlackierten Nägeln, denen man jedoch die intensive tägliche Pflege ansah. Die sorgfältig herausgearbeiteten Nagelhalbmonde, die im Lampenlicht aufglommen, bildeten einen skurrilen Gegensatz zu den Feilen, Batterien, dem feinen Eisenstaub und der Apparatur, die an ein Glühbirnentestgerät erinnert. Die Hände zeigten sich geschickt, wenn es darum ging, Plus- und Minuspole zu kombinieren, eine Prüflampe zum Leuchten zu bringen, komplizierte Drahtverschaltungen in eine Stahlkugel einzupassen.
»Wir werden ihnen eine hübsche kleine linke Bombe unter den fetten Arsch legen!«
»Die wird die ganze
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