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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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vor dem bescheidenen Ladenhaus der Nebenstraße standen noch, waren mächtiger, aber auch verwitterter geworden; ein Blitz hatte den größten Baum gespalten, aber nicht vernichtet. Aus dem ehemaligen Kolonialwarenladen war ein bescheidenes Selbstbedienungsgeschäft geworden. Dort hatten sie eingekauft für den Hotelabend, der ein wenig trist vor ihnen stand. Die einzigen beiden Zimmer strahlten mit ihrer bescheidenen Möblierung, ihren fleckigen, verblichenen Tapeten alles andere als Behaglichkeit aus.
    Sie hatten polnischen Speck eingekauft, dazu ein schmackhaftes, herb duftendes Weißbrot, das Thomas schon aus Warschau kannte. Margot hatte eine Flasche albanischen Skenderbeu-Kojnak entdeckt und eingepackt, gleich danach noch polnischen Honigwein hinzugefügt. Sie hatte kommentiert:
    »Eine fürstliche Mahlzeit. Wir müssen Ihr Wiedersehen feiern. Finden Sie nicht?«
    Jetzt jedoch, mit der Aussicht auf die trostlosen Hotelzimmer, sah Thomas die nahe Zukunft weniger rosig. Sie schien seine Gedanken zu raten.
    »Hier in der Nähe liegt der legendäre Mauersee«, schlug sie vor. »Warum fahren wir nicht einfach hinaus, setzen uns an sein Ufer, entkorken eine gute Flasche und genießen die Nacht?«
    … So fuhren sie in Richtung Lötzen (es hieß Gizycko, ein Name, der ihr viel besser gefiel: der andere erinnere sie immer an irgendeinen Friedrich. Meinte sie Leuthen?). Kurz vor der Stadteinfahrt bogen sie in Richtung Doba nach Norden ab und fanden sich plötzlich dem Seeufer gegenüber.
    Der Wind hatte sich gelegt, als sie sich ans verschilfte Ufer setzten. Es war kühl, aber nicht kalt; Thomas hing ihr seinen Mantel um. Gleichzeitig mit ihm hatte er aus dem Fond geholt, was er, die Nacht in dem hohen kahlen Hotelzimmer mit der rissigen Stuckdecke vor Augen, noch dazu besorgt hatte: Wodka, stark duftende Äpfel, rumänische Salami.
    Der Himmel war klargefegt; ein runder Mond hing gelb und voll über dem reglosen See. Im eiskalten Wasser standen, halb im Schlamm vergraben, Wodka und Honigwein. Sie hatten den Fiat dicht am Ufer geparkt und sich mit dem Rücken dagegen gelehnt. Margot räkelte sich wohlig.
    »Dies ist genau das, was ich unter The Good Life verstehe. Eine klare Sternennacht. Unberührte Natur. Stille. Einen guten Trunk. Einfaches, solides Fressen.«
    Sie sagte Fressen. Sie war natürlich, offen und geradeheraus.
    »So still ist die Natur gar nicht«, warf Thomas ein. Im Schilf knarrten Rohrammern, ein versteckter Schwarm Enten quakte nervös. In der Ferne bellte der Hund eines einsamen Gehöfts den Mond an.
    »Wunderbar. Trotzdem vermittelt die Natur den Eindruck von Stille. Wie wär's mit einem eiskalten Wodka vorweg?« Sie tranken. Margot hatte zwei Gläser gekauft.
    »Echt Glas!« lobte sie. »Eigentlich würdelos, aus Plastik und von Pappe zu essen und zu trinken, nicht? Hier wird einem bewußt, wie unnatürlich wir in unserer Scheiß-Zivilisation leben müssen. Wenn man's wenigstens zugeben würde! Himmel, hier leben die Leute noch wie bei uns in den zwanziger, höchstens dreißiger Jahren. Wir blicken von der arroganten Warte unserer sogenannten Kultur verächtlich auf diese Zurückgebliebenen hinab. Aber damals hat sogar der Ärmste den Schweiß mit einem echten Leinentaschentuch vom Gesicht wischen können. Nicht, wie wir, mit einem schäbigen Papierfetzen. Keiner ist gezwungen worden, seinen Kaffee aus Pappbechern zu trinken. Und wenn's Muckefuck war, so schmeckte er doch aromatischer als das Gesöff, das wir heute an Bord in Plastik serviert kriegen. Damals haben die Reichen und Superreichen verächtlich auf die Pellkartoffelfresser der unterentwickelten deutschen Gaue geblickt. Heute machen sie aus der Armeleutespeise eine Superköstlichkeit und genieren sich nicht, für irres Geld diese Selbstverständlichkeit als Spezialität in Form der Idaho-Potatoes auf den weißgedeckten Tisch zu bringen. Prost, Zivilisationsgenosse! Und wenn wir heute inmitten des grausigen Angebots an kostspielig verpacktem, kostspielig geschnittenem fluffy und aufgeschmotztem Weißbrot mal ein echtes Brot entdecken, das nicht nach Plastik, sondern echt nach Brot schmeckt, dann stimmen wir schon einen Jubelchoral an! Mann, damals hatte der ärmste Bauer noch ein köstlich duftendes Brot auf dem rohen Eichentisch … Es lebe Masuren …«
    Sie war in euphorische Stimmung geraten. Als emanzipierte Frau hatte sie die Zügel fest in die Hand genommen. Fast wohlig genoß Thomas seine auferlegte Passivität. In seinem harten

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