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Deutschlehrerin

Deutschlehrerin

Titel: Deutschlehrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Taschler
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dieser Ich-Figur scheint in jeder Hinsicht begabt zu sein. Wie alt ist er übrigens?
    Mathilda: Sehr jung.

MATHILDA UND XAVER
    Nach seinem Verlagspraktikum in München hielt Xaver einen Anstandsbesuch bei seiner Mutter für nötig, da er seit fast einem halben Jahr nicht mehr zu Hause gewesen war; und weil er nicht alleine fahren wollte, fragte er Mathilda, ob sie ihn nicht begleiten wolle.
    Es war ein strahlend schöner Septembertag und beide waren gut gelaunt. Die Zugfahrt dauerte zweieinhalb Stunden, am Bahnhof wurden sie von einem Nachbarn abgeholt, der sie die letzte halbe Stunde in seinem uralten Mercedes Benz bis direkt vor das Haus schaukelte. Mathilda saß hinten auf dem Rücksitz und träumte vor sich hin; der alte Mann gab sich ihr gegenüber betont jovial und sie amüsierte sich mit ihm. Überglücklich war sie, dass Xaver von ihr erzählt hatte und daraufhin seine Mutter sie kennenlernen wollte, es bedeutete ihr sehr viel und sie war ein bisschen aufgeregt.
    Das alte, riesige Haus trug den Namen Schuroth. Es stand abseits des Dorfes alleine auf einem Hügel, ringsum gab es nur Wiesen und Wälder, herrschaftlich blickte es auf die Landschaft herab, Mathilda gefiel es sofort, sie behielt das aber für sich, da sie wusste, dass Xaver das Haus nicht leiden konnte. Die Gründe dafür erfuhr sie noch in derselben Nacht, es war das erste Mal, dass Xaver ihr von seiner Kindheit erzählte.
    Als der Nachbar sie aussteigen ließ, stand Inge bereits da, in schwarzem Rock und weißer Bluse, die Arme verschränkt. Sie stürzte sich auf Xaver, umarmte ihn, küsste ihn, Mathilda sah in ihren Augen, wie sehr sie ihn liebte. Neid und Eifersucht durchzuckten sie in dem Moment, sie beneidete ihn wahnsinnig um diese Mutterliebe, er hatte sich die ganze Kindheit und Jugend lang in dieser Liebe sonnen können, und plötzlich verstand sie sein Selbstbewusstsein, seine Lässigkeit.
    Sie wurde förmlich mit »Frau Kaminski« begrüßt, Inge schüttelte ihr mit spitzen Fingern kurz die Hand, musterte sie vom Scheitel bis zur Sohle und kommentierte dann ihre ausgelatschten Sandalen: »Tragen die heutigen Studentinnen so etwas?« Ihre würdevolle Art verunsicherte Mathilda und sie spürte: Für den einzigen Sohn hätte Inge sich etwas Besseres, ein Mädchen aus einer gut situierten, weltmännischen Akademikerfamilie gewünscht, dass sie das offensichtlich nicht war, sah Inge ihr an.
    Sie saßen zu dritt im Garten, der Tisch war liebevoll gedeckt, tranken Kaffee und aßen selbst gemachten Zwetschkenkuchen. Inge unterhielt sie krampfhaft, sie plapperte ununterbrochen betont fröhlich dahin, als würde sie Stille als etwas Bedrohliches empfinden, dann fiel Mathilda ein, dass sie ja ständig mit der Stille leben musste. Ihr Mann war vor vielen Jahren an Asthma gestorben und sie lebte allein in dem großen Haus. Xaver gab sich schweigsam, antwortete auf Fragen einsilbig, sie selbst wurde nichts gefragt. Es war ein ungewöhnlich warmer Tag, Inge fragte, ob sie den Sonnenschirm aufspannen sollte und spannte ihn auf, ohne eine Antwort abzuwarten, Mathilda beobachtete einen Raben, der sich auf das Dach des hölzernen Geräteschuppens gesetzt hatte und stolz umherblickte.
    Inge war das völlige Gegenteil ihrer Mutter Martha, sie war gepflegt, gebildet und fleißig, außerdem war ihr die Familie wichtig, die allerdings nur noch aus Xaver und ihr bestand. Schon bei diesem ersten Treffen erzählte sie ausführlich, dass sie gerne eine große Familie gehabt hätte, aber nach einer Totgeburt keine weiteren Kinder mehr hatte bekommen können. Sie erzählte es so, als könnte Mathilda sie deswegen für faul halten und als fühlte sie sich minderwertig, weil sie nur ein Kind großgezogen hatte, während im Dorf die meisten Frauen durchschnittlich vier hatten.
    Xaver schlenderte mit Mathilda durch das Innere des Hauses und zeigte ihr die unzähligen Zimmer, es waren zwei Stockwerke, im ersten zählte sie fünf Schlafzimmer und ein Badezimmer, im Erdgeschoß gab es neben der Küche, einem weiteren Bad und dem Wohnzimmer noch Inges Schlafzimmer und den Teil des Hauses, der nicht bewohnt wurde und einen eigenen Eingang hatte: die stillgelegte Schusterei.
    Beim näheren Betrachten sah man, wie alt und renovierungsbedürftig das Haus war, und dass es eindeutig an Geld fehlen musste, in den meisten Zimmern entdeckte sie kaputte Möbel, Schimmelbefall oder sich lösende Tapeten und die zwei Badezimmer, die Anfang der fünfziger Jahre eingerichtet worden

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