Devil Riders 1 Herz im Sturm
entführen?“
„Ja.“
„Wirklich?“ Also hatte Nickys Mutter tatsächlich begründete Angst um ihn.
„Woher haben Sie das da?“ Nicky zeigte auf Gabriels Ohr.
Unwillkürlich berührte Gabriel die feine blasse Narbe, die sich von seinem Kiefer bis zu der abgetrennten Spitze seines Ohrläppchens erstreckte. „Von einem Bajonett.“
„Ein Stückchen tiefer, und Sie wären tot gewesen“, stellte Nicky mit kindlicher Faszination fest.
„Ja, ich habe großes Glück gehabt“, stimmte Gabriel zu.
„Mama hat auch so Ohrläppchen.“
„Wie bitte?“ Gabriel starrte ihn an. Das war ihm gar nicht aufgefallen, sie hatte das Haar offen getragen. „Wie ist das passiert?“ „Jemand hat es abgerissen.“
„Sie wurde angegriffen?“
Der Junge nickte ernst. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich in England darüber reden darf.“ Er nagte an seiner Unterlippe. „Wahrscheinlich hätte ich Ihnen auch nichts von den bösen Männern erzählen dürfen. Das Problem ist, ich weiß oft nicht so genau, was ich sagen darf und was nicht.“
„Ich werde es keiner Menschenseele verraten“, versprach Gabriel und beschäftigte sich scheinbar gleichgültig mit seinem Sattel.
Eine Weile dachte Nicky nach und kam dann offensichtlich zu dem Schluss, dass er darüber reden konnte. „Mama hat mir später erzählt, es wären nur Diebe gewesen, die es auf ihre Ohrringe abgesehen hatten ... den einen Ohrring hätte man ihr abgerissen. Es hat furchtbar geblutet, aber Mama meinte, es hätte überhaupt nicht wehgetan.“
Da hat Mama gelogen, dachte Gabriel und fragte sich, wo Papa zu dem Zeitpunkt gewesen war.
„Ich glaube aber, sie hat das nur gesagt, damit ich mir keine Sorgen mache. So etwas macht Mama manchmal.“
Gabriel zog die Augenbrauen hoch. Der Junge war ziemlich einfühlsam für sein zartes Alter.
Nicky spielte mit den Zügeln herum und warf Gabriel einen flüchtigen, bedrückten Blick zu. „Und ich glaube auch nicht, dass diese Männer Diebe waren.“
„Nicht?“
Der Junge schüttelte den Kopf. „Sie hatten es auf mich abgesehen, nur hat Mama sie daran gehindert.“
„Ist das vorher schon einmal passiert?“, wollte Gabriel wissen. „Ja, ich bin einmal für drei Tage entführt worden, aber sie haben mich zurückgeholt. Ich kann mich nicht daran erinnern, ich war da noch ganz klein. “ Er zuckte die Achseln. „Hinter mir sind immer irgendwelche Männer her.“
„Jetzt auch?“, fragte Gabriel ruhig. Das erklärte in der Tat Einiges, das ihn verwirrt hatte.
Der Junge zog die schmalen Schultern hoch. „Wir wissen es nicht, Mama hofft, dass es nicht so ist. Deshalb ...“ Er biss sich auf die Lippen.
„Deshalb seid ihr nach England gekommen“, vollendete Gabriel den Satz für ihn. Und deshalb ist sie letzte Nacht auch so misstrauisch gewesen, dachte er. „Nun, ich weiß nicht, wer diese Männer sind, Nicky, aber ich verspreche dir eins: Wenn sie dich oder deine Mama holen wollen, werde ich alles tun, um sie daran zu hindern. Ich verstehe mich ziemlich gut darauf, mit bösen Männern fertigzuwerden, musst du wissen“, fügte er hinzu. „Ich war die letzten acht Jahre als Soldat im Krieg.“
Das Kind sah ihn lange nachdenklich an und nickte dann, als wäre es zufrieden.
Gabriel schwang sich in den Sattel und hob Nicky vor sich. „Es wird Zeit, zurückzureiten“, sagte er. „Deine Mutter macht sich Sorgen um dich.“
„Ja, und ich muss nachsehen, wie es Jim geht.“
Sie ritten im Schritttempo, weil der Pfad nach dem Regen schlüpfrig geworden war.
Nicky senkte den Kopf. „Das war nicht richtig von mir, nicht wahr? Ich meine, ihn mit dem Stein getroffen zu haben.“
„Nein, das war nicht richtig“, bestätigte Gabriel. „Warum hast du das getan?“
„Nun ja, er hat nicht gekämpft wie die Gentlemen in meinem Land. Er hat mich geschubst, und mir ist eingefallen, wie Sie zu Mama gesagt haben, dass sie einen Stein nehmen und auf die Nase zielen soll. Sie sind ein Gentleman, und da habe ich gedacht, in England macht man das eben so“, lautete Nickys Schlussfolgerung.
„Nein, das macht man hier nicht so“, widersprach Gabriel bedrückt. „Ich habe deiner Mutter das gesagt, weil eine Dame nie in die Lage geraten sollte, kämpfen zu müssen. Sie ist viel kleiner und schwächer als die meisten Männer, deshalb gelten für sie nicht dieselben Regeln wie für einen Gentleman.“
„Also hätte ich Jim nicht schlagen dürfen?“
„Nicht mit einem Stein. Es war jedoch richtig von dir zu
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