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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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vergaß es wieder, als Deborah knurrte und erneut auf die Klingel drückte.
    Im Inneren schwoll erneut die Musik, doch diesmal hörten wir über den überwältigenden Akkord hinweg jemanden brüllen: »Verdammt! Schon gut!«, und ein paar Sekunden später schwang die Tür auf. Eine Person, bei der es sich vermutlich um Victor Chapin handelte, stand dort und musterte uns wütend. Er war dünn, etwa zehn Zentimeter kleiner als eins achtzig, und hatte dunkle Haare und einen mehrere Tage alten Bartschatten. Er trug Schlafanzughose und Unterhemd. »Was wollen Sie?«, knurrte er streitlustig. »Ich versuche zu schlafen.«
    »Victor Chapin?«, fragte Deborah, und der offizielle Polizeiton in ihrer Stimme drang augenscheinlich durch seine Benommenheit, denn plötzlich wurde er starr und sah uns argwöhnisch an. Seine Zunge schnellte heraus und befeuchtete seine Lippen, und ich konnte sekundenlang eine von Dr. Lonoffs Reißzahnkronen erkennen, während sein Blick zwischen mir und Deborah hin- und herschoss.
    »Was’n – warum?«, fragte er.
    »Sind Sie Victor Chapin?«, wiederholte Deborah.
    »Wer sind Sie?«, bohrte er.
    Deborah griff nach ihrer Marke. Sobald klarwurde, dass es sich tatsächlich um eine Marke handelte, und noch ehe sie sie aufklappen konnte, fluchte Chapin: »Verdammt«, und versuchte, die Tür zuzuschlagen. Aus reinem Reflex stellte ich den Fuß dazwischen, und als die Tür zurückprallte und auf Chapin zuschwang, drehte er sich um und rannte hinein.
    »Hintertür!«, rief Deborah und verschwand auch schon um die Hausecke. »Du bleibst hier!« Im nächsten Moment war sie fort. In der Ferne hörte ich eine Tür schlagen, und dann brüllte Deborah, Chapin solle stehen bleiben, und dann nichts mehr. Erneut dachte ich daran, dass Deborah vor kurzer Zeit niedergestochen worden war, und an die schreckliche Hilflosigkeit, die ich empfunden hatte, als ihr Leben auf den Bürgersteig rann. Debs konnte unmöglich wissen, ob Chapin wirklich zur Hintertür gelaufen war – er konnte ebenso gut einen Flammenwerfer geholt haben. Gut möglich, dass er sie in diesem Augenblick angriff. Ich spähte in das düstere Innere des Hauses, konnte jedoch nichts erkennen und hörte nichts außer dem Rauschen einer Klimaanlage.
    Ich trat wieder hinaus und wartete. Dann wartete ich ein wenig länger. Noch immer geschah nichts. In der Ferne heulte eine Sirene. Am Himmel brummte ein Flugzeug. Irgendwo in der Nähe klimperte jemand auf einer Gitarre und begann »Abraham, Martin and John« zu singen.
    Gerade als ich zu dem Schluss gelangte, dass ich es keinen Moment länger aushalten konnte und nachsehen gehen würde, hörte ich aus dem Garten eine mürrische Stimme und erblickte Victor Chapin, dessen Hände in Handschellen auf seinen Rücken gefesselt waren, sowie Deborah direkt hinter ihm, die ihn zum Auto trieb. Die Knie seiner Schlafanzughose waren grün und eine Gesichtshälfte rot verfärbt.
    »Sie dürfen nicht – verdammt – Anwalt – Scheiße!«, fluchte Chapin. Möglicherweise eine Art verbales Kannibalen-Steno, das jedoch Deborah nicht sonderlich zu beeindrucken schien. Sie schob ihn einfach vor sich her, und als ich zu ihr hinübereilte, sah sie mich mit einem Ausdruck an, der so nah an Glück grenzte, wie ich es bei ihr seit geraumer Zeit nicht mehr erlebt hatte.
    »Was zur Hölle?«, widmete Chapin seine Eloquenz jetzt mir.
    »Ja, nicht wahr?«, pflichtete ich ihm bei.
    »Das ist doch scheiße!«, brüllte er.
    »Steigen Sie in den Wagen, Victor«, forderte Deborah ihn auf.
    »Sie können mich …«, knurrte er. »Wo bringen Sie mich hin?«
    »Wir bringen Sie in die Arrestzelle«, antwortete sie.
    »Verdammt, das dürfen Sie nicht!«
    Deborah lächelte ihn an. Ich hatte bisher nicht viele Vampire kennengelernt, aber ich befand, dass ihr Lächeln vermutlich furchteinflößender war als alles, was die Blutsauger aufzubieten hatten. »Victor, Sie haben sich einer polizeilichen Aufforderung widersetzt und sind geflüchtet. Was bedeutet, dass ich Sie verdammt noch mal mitnehmen
darf
«, erklärte sie. »Und ich
werde
Sie verdammt noch mal mitnehmen, und Sie
werden
einige verdammte Fragen beantworten, oder Sie sehen die Welt da draußen für lange Zeit nicht wieder.«
    Er öffnete den Mund und holte einen Moment nur Luft. Seine hübschen, schimmernden Reißzähne wirkten plötzlich nicht mehr sonderlich bedrohlich. »Was für Fragen?«
    »In letzter Zeit auf guten Partys gewesen?«, erkundigte ich mich.
    Die Redewendung

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