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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Die Toten verfluchen mich, weil ich ihnen nicht geholfen habe. So kann ich nicht weiterleben!«
    »Beruhige dich, Florin. Gott wird dir verzeihen. Außerdem schwöre ich dir, dass Ottokar irgendwann einmal dafür bezahlen wird, und wenn ich ihn zum Duell fordern und eigenhändig zur Hölle schicken muss!« Fridolin ballte die Faust und drohte in ohnmächtigemZorn in die Richtung, in der er Trettin wusste. Dabei erinnerte er sich an den alten Herrn, für den diese Geste fast schon zur Gewohnheit geworden war, und ihm wurde klar, dass Ottokar auch seinen Onkel auf dem Gewissen hatte. Noch während er seiner Machtlosigkeit mit Flüchen Luft machte, fiel sein Blick auf ein Blatt Papier, das auf dem kleinen Tischchen neben der Zigarrenschachtel lag. Es war ein Briefbogen ohne gedruckten Kopf und so jungfräulich, als hätte es auf ihn gewartet.
    Er nahm den Bogen an sich und reichte ihn Florin. »Schreib alles auf! Ich muss etwas Schriftliches in der Hand haben, für den Fall, dass Ottokar Lore bedrohen sollte. Dein Geständnis kann ihn zwar nicht ins Gefängnis bringen, aber es würde einen Skandal verursachen, der ihn zumindest hier in der Gegend um seine Reputation bringen würde.« Fridolin schob dem Kutscher das Papier hin, zog seinen Patentschreiber aus der Westentasche und schraubte die Kappe ab.
    Florin betrachtete das Schreibinstrument misstrauisch und nahm es so vorsichtig zur Hand, als könne es ihm unter den Fingern zerbrechen. Erst auf Fridolins energische Aufforderung setzte er sich an den Tisch und begann zu schreiben. Seine Schrift war ungelenk, und der Text strotzte vor Fehlern, wirkte aber gerade dadurch authentisch.
    »Es dürfte dir etwas bessergehen, wenn du dein Gewissen erleichtert hast«, versuchte er Florin zu trösten.
    Dieser hörte mitten im Wort auf und sah mit trüber Miene zu ihm auf. »Ich hatte mir schon überlegt, mit unserem Pastor zu sprechen. Aber für den kommt Herr Ottokar gleich nach unserem Herrgott, und er würde behaupten, ich sei ebenso verlogen wie die alte Miene. Es ist nur gut, dass Herr Doktor Mütze ihr und dem braven Kord erlaubt hat, im Jagdhaus zu wohnen. Herr Ottokar hatte nämlich seinen Gutsinspektor geschickt, um sie aus ihren Katen zu vertreiben. Jetzt redet der Pastor von Unmoral, weil siein einem Haus zusammenleben, und will Miene zwingen, ins Armenhaus zu gehen.«
    Fridolin lachte bitter auf. »Der Kerl ist wirklich ein Mann Christi! Aber da Kord und Miene beide verwitwet sind, könnten sie heiraten und dem Pastor ein Schnippchen schlagen.«
    Zum ersten Mal huschte der Anflug eines Lächelns über Florins Gesicht. »Das werde ich ihnen ausrichten, Herr Fridolin, wenn ich sie das nächste Mal sehe. Ich glaube, die meisten in unserem Dorf würden dem Herrn Pastor diese Abfuhr gönnen.«
    Dann schrieb er weiter und hörte erst auf, als er mit seinem Bericht über die Ereignisse beim Lehrerhaus fertig war. Auf Fridolins Aufforderung setzte er seine Unterschrift darunter und reichte das Blatt dem jungen Mann.
    »Jetzt ist mir wirklich leichter, wo ich weiß, dass Sie Herrn Ottokar irgendwann einmal für diese Untat bezahlen lassen werden. Ich muss gehen! Die Uhr hat eben die halbe Stunde geschlagen, und ich muss mich tummeln, wenn ich die Gnädige rechtzeitig von der Schneiderin abholen will.«
    »Geh mit Gott, Florin! Du hast gesündigt, aber der Herr wird dir verzeihen.« Fridolin reichte dem Kutscher die Hand und sah ihm nach, bis dieser die Tür hinter sich geschlossen hatte. Er griff nach dem Glas mit dem Honiglikör und schüttete den Inhalt in einem Zug hinab. Als er ebenfalls das Rauchzimmer verließ, sah er Doktor Mütze und dessen Frau auf dem Flur stehen. Ihre Mienen verrieten ihm, dass sie den größten Teil des Gesprächs mit angehört hatten.
    Doktor Mütze zeigte auf das Blatt, das Fridolin eben zusammenfaltete und in die Westentasche steckte. »Was werden Sie tun? Wollen Sie versuchen, Ottokar das Gut abzunehmen, so wie er es mit Ihrem Onkel gemacht hat?«
    Für einen Augenblick erschien der Gedanke Fridolin verlockend, aber dann zuckte er mit den Achseln. »Das ist mir leider nichtmöglich. Zum einen fehlt mir das Geld, um einen langen Prozess gegen Ottokar durchstehen zu können, und zum anderen sind da noch Malwine und ihre Söhne. Selbst wenn ihr Vater als Mörder verurteilt würde, bekommt der ältere von ihnen das Gut. Immerhin hat Ottokar ja niemanden umgebracht, der vor ihm erbberechtigt gewesen wäre. Nein, Herr Doktor! Dieses Geständnis

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