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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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wanderte ein Trumpf, der eigentlich Rendlinger gehört hätte, heimlich zu ihm herüber. Der Miene seines Gegenübers entnahm er, dass dieser jetzt eher mittelmäßige Karten hatte, und stieg sofort mit einer hohen Summe ein.
    Der Industrielle ging mit und erhöhte den Einsatz. Mit kalter Miene gab Fridolin Kontra und sah zu, wie der Berg Münzen in der Mitte des Tisches immer größer wurde. Als sie schließlich die Karten aufdeckten, hatte Fridolin das bessere Blatt.
    Rendlinger schnaubte. »Ich bin selber schuld. Mit diesen Karten hätte ich niemals so hoch mitgehen dürfen.«
    Fridolin strich den Gewinn ein und wartete, bis der andere gegeben hatte. Diesmal war sein Blatt schlechter, doch gewitzt durch die Erfahrungen, setzte er sofort hoch und brachte den Industriellen in eine Zwickmühle. Nach einer kurzen Überlegung warf dieser die Karten auf den Tisch.
    Das nächste Spiel verlor Rendlinger mit einer geringeren Summe, gewann dann zwei hintereinander mit kaum lohnenswertem Einsatz und verlor bei der nächsten Partie eine bedeutende Summe trotz guter Karten.
    Als Fridolin das gewonnene Geld auf seine Seite holte, fiel plötzlich ein Schatten über ihn. Er blickte auf und sah Hede. Ihr Gesicht wirkte geschäftsmäßig freundlich, doch ihre Augen schleuderten Blitze. »Herr von Trettin hat heute Glück im Spiel, nicht wahr, Herr Kommerzienrat? Dafür aber werden Sie heute umso mehr Glück in der Liebe haben.«
    Auf ihren Wink kamen zwei ihrer Mädchen heran und setzten sich zu dem Industriellen. Eine davon gehörte zu den schönsten unter Madames Schützlingen, und die andere war diejenige, die selbst die ausgefallensten Männerwünsche erfüllte. Beide strichen sanft über Rendlingers Gesicht, und als sie sich vorbeugten, konnte er tief in ihre Dekolletés sehen.
    Er atmete tief durch, und die Verärgerung, die sich durch die verlorenenSpiele auf seinem Gesicht breitgemacht hatte, verschwand wieder.
    »Wollen die Damen eine Flasche Champagner mit mir trinken?«, fragte er. Natürlich wollten beide, wie sie versicherten, aber nicht am Spieltisch, sondern in trauter Dreisamkeit.
    Kaum hatten die beiden Mädchen sich mit Rendlinger in eines der luxuriösen Séparées zurückgezogen, tippte Hede Fridolin auf die Schulter.
    »Komm mit in mein Büro!«
    Fridolin steckte die gewonnenen Goldmünzen rasch ein und folgte ihr. Zwar schämte er sich, den Industriellen im Spiel betrogen zu haben, dennoch schob er das Kinn kämpferisch vor.
    Hede schloss die Tür und trat dann an den Schrank. Während sie zwei Gläser und eine Flasche Cognac herausholte, kanzelte sie Fridolin ab. »Ich weiß nicht, was du dir dabei gedacht hast! Du solltest Rendlinger unterhalten und ihn nicht durch Falschspiel ausnehmen. Jetzt müssen Gerda und Reinalde zusehen, wie sie seinen Unmut vertreiben, und er wird hinterher auch nicht die Trinkgelder geben, die wir sonst von ihm gewöhnt sind!«
    »Es tut mir leid, aber i…«
    Hede fiel ihm ins Wort. »Du weißt, ich mag dich, Fridolin. Doch tu das nie wieder! Ich will nicht, dass mein Haus durch solche Dinge in Verruf kommt und mir die Gäste wegbleiben.«
    »Ich sagte doch, es tut mir leid! Ich hätte es auch nicht getan, aber ich muss heute noch nach England aufbrechen, und dazu benötige ich das Geld.« Fridolin überlegte, ob er Hede wenigstens einen Teil seines Gewinns als Entschädigung anbieten sollte, doch der Gedanke an die Kosten dieser Reise ließ ihn davon absehen.
    Hede blickte ihn erstaunt an. »Weshalb willst du nach England?« »Du hast doch sicher gehört, dass die
Deutschland
untergegangen ist. Meine Nichte Lore befand sich auf dem Schiff. Ich will sehen, ob ich sie finde und ihr helfen kann.«
    »Ja, es soll viele Tote gegeben haben, vor allem unter den Frauen. Hoffen wir, dass deine Nichte überlebt hat. Trotzdem, mein lieber Fridolin: Lass das mit dem betrügerischen Spiel! Auf die Dauer kann das nicht gutgehen. Oder willst du irgendwann einmal jemandem mit der Pistole in der Hand gegenüberstehen, der dich des Falschspiels beschuldigt hat?« Hede reichte Fridolin eines der beiden Gläser und stieß mit ihm an. »Auf dein Wohl, und darauf, dass du deine Verwandte lebend antriffst. Und wenn du das nächste Mal Geld brauchst, dann komm zu mir.«
    »Das wollte ich eigentlich tun. Doch als Rendlinger beleidigend wurde, hat mich der Zorn gepackt, und ich wollte es ihm heimzahlen.«
    »Die paar hundert Mark, die du ihm abgenommen hast, tun ihm nicht weh. Da müsstest du schon eine

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