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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Kopf. »Lore, du dummes Kind! Du hast Nati zweimal das Leben gerettet und sie zwischendurch selbstlos gesund gepflegt. Beim zweiten Mal bist du in Lebensgefahr geraten, weil du sie beschützen wolltest, und du hast dann auch noch dafür gesorgt, dass Ruppert, dieser Schuft, unverrichteter Dinge abziehen musste. Das alles kann mit Geld nicht aufgewogen werden!
    Wir sind dir alle sehr, sehr dankbar dafür. Mary ist extra zu uns ins Hotel gezogen, um die Nachtwachen bei dir zu übernehmen, und sie hat Konrad, Weates und zwei Hotelpagen so gescheucht, dass die armen Kerle kein Auge mehr zumachen konnten. Derweil hat Prudence sich Tag und Nacht um Nathalia gekümmert. Glaubst du, sie erwarten von dir, dass du sie für die Extradienste bezahlst?
    Nein, meine Liebe, du behältst dein Geld – oder vielmehr, du bekommst es wieder, wenn du es brauchst. Ich habe es zur Bank gebracht und ein Treuhandkonto für dich eröffnet, das jederzeit nach Amerika oder auch nach Deutschland übertragen werden kann. Das Geld soll deine Zukunft sichern, aber bis du volljährig bist, werde ich für dich sorgen. So, ich hoffe, jetzt hast du keinen Grund mehr, dir das Gemüt zu beschweren. Du willst doch gesund werden und mit uns das Weihnachtsfest feiern, oder nicht? Jetzt trink noch etwas und schlafe dann weiter!«
    »Ich bin gar nicht müde«, antwortete Lore. »Wie lange liege ich denn schon im Bett?«
    »Heute ist der sechste Tag«, antwortete Thomas Simmern lächelnd.
    Lore erschrak zum zweiten Mal und brach in Tränen aus. »O nein! Jetzt war ich dir auch noch ein Klotz am Bein! Musstest du nicht sofort wieder nach London zurück – wegen der Strandung der
Deutschland?
Hoffentlich bekommst du meinetwegen keinen Ärger.«
    »Nicht doch, Lore! Schluss mit den Tränen! Du warst für mich kein Klotz am Bein. Genauso gut könnte ich sagen, Nathalia wäre mir lästig. Schließlich bin ich ihretwegen hierhergekommen. Wenn es dich beruhigt: Ich hätte wegen der Bergung der Passagiere der
Deutschland
sowieso nach Harwich fahren müssen und konnte daher einen Großteil der Angelegenheit von hier aus abwickeln. Schließlich wurden die Schiffbrüchigen von einem hiesigen Kapitän gerettet, einschließlich unseres Ritters von der traurigen Gestalt.«
    »Wer ist das?«, fragte Lore erstaunt.
    »Ich meine Kapitän Brickenstein. Es ist immer schrecklich für mich, mit ansehen zu müssen, wie ein gestandener Seekapitän nach einem Schiffbruch zu einem Häufchen Unglück zusammenfällt. Die Engländer machen uns allerdings auch einen Haufen Schwierigkeiten und teilweise unberechtigte Vorwürfe, so dass ich immer wieder zwischen den Behörden hier und der Londoner Handels- und Seefahrtskammer hin und her pendeln musste. Zum Glück gibt es eine gute Verbindung mit der Eisenbahn nach London. So konnte ich regelmäßig in die City fahren, um mit den Herren dort zu verhandeln.
    Wenn es dich interessiert, gebe ich dir morgen einige Zeitungsausschnitte zu lesen. Heute aber lässt du dich von Mary und Prudence verwöhnen. Du musst endlich etwas Festes essen, damit duauf die Beine kommst. Das Hotel hat Anweisung, alles zu servieren, worauf ihr vier Appetit habt. Werde schnell gesund, mein Fräulein! Wenn der Arzt Nati und dir zu reisen erlaubt, möchte ich ganz nach London umsiedeln. Mary und Prudence kommen mit und bleiben bei uns, bis wir England verlassen. Jetzt aber muss ich euch allein lassen. Versprich mir nur, dass du Nati ins Bett schickst, wenn sie dir zu sehr auf die Nerven geht!«
    »O nein, Onkel Thomas! Du kannst mich doch nicht dauernd ins Bett stecken!«, protestierte Nati, die eine Weile still dagesessen und Lores Hand an ihre Wange gedrückt hatte. »Ich bin doch kein Baby mehr, und ich gehe Lore nie auf die Nerven. Schließlich ist sie meine beste Freundin! Sie wird jetzt wieder ganz gesund werden, dafür sorge ich schon. Geh du nur zu deinen dummen Verhandlungen. Konrad aber musst du hierlassen, damit er auf uns aufpasst. Ich mag die Männer nicht, die da draußen herumstehen! Sie riechen komisch!«
    »Was für Männer?«, fragte Lore verwundert.
    Mary lachte. »Natis großzügiger Onkel hat Leibwächter angeheuert. Ich denke, es sind verkleidete Bullen. Wenn man aus der Hafenstraße kommt, erkennt man solche Typen auf Meilen! Die Anzüge der Männer riechen nach Mottenkugeln, so als wären sie seit Jahren nicht aus der Kleidertruhe herausgekommen, und die Männer benehmen sich auch nicht wie Hotelgäste, sondern wie Leute, die gewohnt sind,

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