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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Passagier herein. Von der Wucht des Wassers getrieben, verlor er den Halt und prallte gegenRuppert. Der trat einen Schritt zurück und ließ den Mann zu Boden stürzen. Erst als Lore, die mit Nati auf dem Arm selbst um ihr Gleichgewicht kämpfte, dem alten Mann die freie Hand reichte, bemühte Ruppert sich lässig, dem anderen auf die Beine zu helfen. Der Mann starrte ihn verunsichert an und klammerte sich unter dem Stoß der nächsten Welle an das Treppengeländer.
    »Sie sollten hier nicht im Weg stehen und die Leute behindern, Herr von Retzmann. Der Kapitän hat allen Passagieren befohlen, unter Deck zu gehen. Wir haben gerade das letzte Rettungsboot verloren, und die Patentflöße lassen sich bei der schweren See nicht zu Wasser bringen. Wir werden warten und beten müssen, dass uns bei Tageslicht andere Schiffe zu Hilfe kommen!«
    Ruppert murmelte etwas, das bei gutem Willen als Entschuldigung durchgehen mochte, drehte sich ruckartig herum und lief die Treppe hinunter. Lore ließ dem älteren Herrn den Vortritt und folgte ihm vorsichtig über die von der eindringenden Gischt glitschig gewordenen Stufen. Hinter ihnen stolperten durchnässte, verfrorene und verstörte Gestalten herab, die in keiner Weise mehr an die vornehmen Passagiere der ersten Kajüte erinnerten.
    In den Gängen des Hauptdecks, aber auch in und vor den Kabinen der zweiten Kajüte hatten sich die Zwischendeckpassagiere niedergelassen. Genau wie der untere Salon waren ihre eigenen Räume mit heißem Dampf gefüllt. Lore erfuhr nun, dass der Boden der
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beim Auflaufen auf eine Sandbank aufgerissen worden war und seitdem Wasser von unten in den Rumpf strömte und bereits in die Feuerungen der Maschinen gedrungen war. Der dabei entstandene Dampf hatte mehrere Heizer und Kohlentrimmer getötet, und die Räume bis hoch zum Zwischendeck durften nicht mehr betreten werden. Nun stand das Wasser bereits hoch über den Kohlenbunkern und den Maschinenräumen.
    Das Schiff neigte sich mehr und mehr zum Bug, und so bildete der Boden des oberen Salons eine schiefe Ebene, die Lore undNathalia mit zitternden Beinen hinaufstiegen, um die Kabine des Kindes aufzusuchen.
    Nicht weit von Natis Kabinentür saßen vier Passagiere an dem Tisch, der am weitesten im Heck stand, und wetteiferten, wer die meisten Schreckensberichte über Schiffsuntergänge zu erzählen wusste. Um diesem Gerede zu entkommen, wollte Lore schnell in Natis Kabine verschwinden.
    Sie wurde jedoch von dem Diener des alten Grafen aufgehalten. Dieser hatte das Kind bereits gesucht und war froh, dass Lore sich seiner angenommen hatte. Lore sah, dass der Mann Todesangst litt und nahe daran war, die Nerven zu verlieren. Daher erklärte sie ihm energisch, dass sie weiterhin auf Nathalia aufpassen werde, und befahl ihm kurzerhand, seinem Herrn beizustehen und diesen nicht mehr allein zu lassen.

VI.
     
    Mit den Schiffsmaschinen war auch die Dampfheizung ausgefallen, und von überall kroch klamme Kälte herein. Lore suchte unter Natis Kleidung vergeblich nach warmen Sachen. Sie fand nur modische Kleidchen und Unterwäsche mit Firlefanz aus Spitzen. Dennoch zog sie das Mädchen um, dessen Kleidung feucht geworden war, räumte den Rest wieder weg und behielt nur den eleganten Pelzmantel griffbereit, der offensichtlich auf Zuwachs gekauft und Nati noch viel zu groß war. Diesen würde sie dem Kind überziehen, wenn sie sich wieder dem Toben der Elemente aussetzen mussten.
    Ihre eigene Reisedecke war bei dem Aufenthalt auf Deck völlig durchnässt worden, und so ließ Lore sie ohne Bedauern fallen.Stattdessen zog sie die feine Decke von Natis Bett und machte es sich mit der Kleinen auf der Couch bequem. Um das völlig verstörte Kind zu beruhigen, nahm sie es in die Arme und begann ihm jene Gutenachtgeschichten zu erzählen, die ihre Mutter ihr und ihren Geschwistern einst vorgelesen hatte. Dabei lauschte sie angespannt, was sich draußen im Salon und auf dem übrigen Schiff tat.
    Das Brausen und Heulen des Sturms wollte und wollte nicht nachlassen, und die Wellen schlugen auf das bebende Schiff ein, als könnten sie es nicht erwarten, den eisernen Rumpf aufzubrechen und seinen Inhalt mit sich in die unergründlichen Tiefen zu nehmen.
    Nati lag so stumm da, als habe ihr die Angst die Sprache geraubt, und sie rührte sich auch nicht, als ihr Großvater die Kabinentür aufriss und bei ihrem Anblick vor Erleichterung schnaufte. Zuerst nickte er Lore anerkennend zu, schüttelte dann aber den Kopf und

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