DGB 08 - Am Abgrund
den Bergen widerhallte und mit einem zweiten
Heulen beantwortet wurde.
Als der andere Wolf in
Sichtweite kam, stellten sich seine Nackenhaare auf. Er war kleiner, aber
sehnig und muskulös.
Rötlich-braunes Fell bedeckte
seinen Körper, und mit blutroten Krallen scharrte er über den Boden. Brynngar
knurrte den Wolf an, ein tiefes, heulendes Geräusch, das seinen Körper
durchfuhr. Der Herausforderer kam hinunter in die Ebene, und die beiden
begannen sich zu umkreisen un.d zu belauern — der alte, ehrwürdige Graue gegen
den jungen Roten. Der Tod war der unvermeidliche Ausgang dieses Kampfs —
ungewiss war nur, ob das Duell sie beide das Leben kosten würde.
Reste von Wolfsfleisch hingen
immer noch an Brynngars Reißzähnen. Der Geschmack von Blut war berauschend, und
der Geruch ließ wieder seine barbarischen Sinne erwachen. Mit einem Aufschrei
sprang er den anderen Wolf an, biss und schlug wild mit seinen Krallen nach
ihm. Die Attacke war so heftig, dass der rote Wolf einen Moment lang aus dem
Gleichgewicht gebracht wurde.
Er wand sich in Brynngars
Fängen, kratzte wie verrückt und biss dem Grauen in den Rücken. Die zwei Wölfe
lösten sich von-einander. Beide bluteten, und beide waren sie von Wut erfüllt.
Nun ging der Rote zum Angriff über und schaffte es, seine Krallen über
Brynngars Flanke zu ziehen. Der alte Graue schrie vor Schmerz auf und
schlitterte auf allen vieren über die Eisebene, ehe er die nächste Attacke
startete.
Der rote Wolf schlug Brynngar
aufs Maul, als der sich ihm wieder näherte, doch der Graue ließ sich davon
nicht einschüchtern, sondern ignorierte den Schmerz, legte seine Kiefer um den
Hals des Roten und biss zu. Krallen kratzten über seine Flanken, als der
kleinere Wolf verzweifelt nach ihm trat und schlug. Brynngar konnte das hastige
Atmen seines Widersachers hören, und er spürte den heißen Hauch, der in der
Kälte rasch abkühlte. Mit einem angestrengten Laut presste er seine Kiefer
zusammen und biss seinem Kontrahenten das Genick durch. Der jaulte noch einmal
kurz auf, dann war er tot und sackte in Brynngars Umklammerung zusammen. Der
alte Wolf schüttelte den Kopf, bis sich der Rote aus seinen Kiefern löste, und
stieß Triumphgeheul aus.
Blut tropfte aus seinem Maul,
als er die Zähne bleckte.
Der silberne Ozean befand sich
wieder vor ihm, und Brynngar spürte, wie der nach ihm rief. Schnee legte sich in
dichten weißen Schwaden auf die spiegelglatte Oberfläche und verdeckte das
vergossene Blut der Wölfe rings um die Stelle, an der Brynngar stand. Der alte
Graue wollte eben weiterziehen, da legte sich ein Schatten über die eisige
Ebene. Er hob den Kopf und konnte wegen des heftigen Schneegestöbers einen
Moment lang nichts sehen.
Dann wurde die Gestalt
deutlicher und entpuppte sich als schwarzer Wolf, der mindestens doppelt so
groß war wie Brynngar selbst. Er saß da und betrachtete den Grauen, ohne dass
seine Haltung irgendeine Herausforderung oder Bedrohung erkennen ließ. Brynngar
hatte die schwarze Bestie schon früher gesehen, und jetzt näherte er sich ihm
langsam und vorsichtig, bis der plötzlich aufstand. Die Augen bohrten sich in
seine, und dann machte der Wolf das Maul auf, als wollte er zum Heulen
ansetzen.
»Sieh dich um«, sagte der
schwarze Wolf, und obwohl er die Sprache der Menschen benutzte, konnte der
graue Wolf Brynngar ihn verstehen.
»Sieh dich um, Brynngar«,
wiederholte er. »Dies ist nicht Fenris.«
Brynngar erwachte aus seinem
Traum und fand sich jäh in einem Alptraum wieder. Rujveld lag tot vor seinen
Füßen, seine Kehle war herausgerissen worden, und unter ihm hatte sich eine
Blutlache gebildet. Der Wolfsgardist schmeckte Kupfer auf der Zunge, und im
gleichen Moment wusste er, dass er den Blutwolf getötet hatte. Aus dem
Augenwinkel bemerkte er weitere Gestalten in grauer Rüstung, und er begriff,
dass er sie alle auf dem Gewissen hatte. Er schloss die Augen vor dem Horror
und hoffte, es wären nur Bilder eines Fieberwahns, doch als er schließlich die
Augen wieder aufschlug, wusste er, dass dem nicht so war.
Mit wackligen Beinen stand er
auf. Er konnte sich daran erinnern, dass sie sich auf dem Weg zur Tosender Abgrund befunden hatten.
Ihr Shuttle war getroffen
worden, und sie waren an irgendeinem finsteren Ort gelandet. Der Rest war
Schwärze. Er hatte geglaubt, auf Fenris wiedererwacht zu sein, wusste aber, das
war nur eine Art psionische Lüge gewesen. Bei dem Gedanken daran, dass er durch
Hexerei manipuliert worden
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