Dhalgren
nicht, daß sie großartig Theater gemacht hätten«, sagte Kid. »Hoffe ich jedenfalls.«
Der Weiße, der ihnen entgegenkam, sich durch die Schwarzen schob und lächelte, war Captain Michael Kamp. »He, hallo. Damit hätte ich nicht gerechnet, Sie heute abend noch wiederzutreffen.« Sein Lächeln schloß auch Glas ein.
»Hallo, Sir«, sagte Kid. »Schön, Sie noch einmal zu sehen. Aber die Party ist wohl schon zu Ende. Sie haben da oben ein Problem. Nichts Ernstes. Aber es kann sein, daß geschossen wird. Und es ist von da oben unheimlich leicht, jemanden abzuknipsen.« Kamps Augen folgten Kids zum Balkon hoch und wieder zurück, verwirrt und wieder kleiner. Kid sagte: »Oh. Das ist mein Freund Glas. Glas, das ist Captain Kamp.«
»Hallo, Sir.« Glas streckte die Hand aus. »Freue mich, Sie kennenzulernen.«
Kamp mußte sich zusammenreißen, um die Hand zu schütteln. »Was ist . . . ich meine?«
»Kommen Sie«, sagte Kid. »Lassen Sie uns hier hinübergehen.«
»Was geht denn da vor?« Kamp folgte ihnen. »Also, Roger hat mir eine Liste gegeben von den Orten, die ich heute abend besuchen soll. Ich fürchte, ich bin einer von den Typen, die gerne einen saufen und Frauen anmachen - Lieblingsspiel bei der Navy. Die Bar war ja sehr interessant - sehr interessant« - nickte er - »wirklich, doch ich dachte, für den zweiten Teil des Abends fange ich noch etwas Besseres an. Hier vielleicht.« Er blickte wieder zum Balkon, während eine größere Gruppe plötzlich auf den Ausgang zueilte. »Auch niedliche Frauen hier . . .« Eine weitere Gruppe folgte. »Was ist los?« fragte Kamp.
»Ein paar verrückte Weiße mit Gewehren«, sagte Kid. »Sie tun nichts, aber die Leute werden nervös. Doch sie dürften eigentlich nicht da oben sein.«
»Habe ich nicht irgendwo gehört, heute nachmittag seien Leute auf offener Straße erschossen worden?«
»Yeah«, sagte Glas und zog eine Grimasse.
»Oh«, sagte Kamp, denn offensichtlich fiel ihm nichts anderes ein. »Roger meinte, man ließe hier nicht einmal Weiße herein. Was tun Sie hier?«
Kid blickte Kamp einen Moment stirnrunzelnd an. »Einige von uns schaffen es doch.«
»Oh«, sagte Kamp wieder. »Nun, klar. Ich meine . . .«
»Sie sind doch der vom Mond, oder?« fragte Glas. »Das finde ich aber interessant.«
Kamp wollte irgend etwas sagen, doch eine Stimme - die des Reverend, tönte durch die relative Stille, die auf den Exodus gefolgt war:
». . . die nochmalige Kreuzigung ist nicht das gleiche. Oh, meine armen, unzulänglichen Hände und Augen! Wißt ihr nicht, daß, wenn man einmal jene Grenze überschritten hat, jedes Atom, jeder Punkt der Realität seine Beziehung zu jedem anderen, den man zurückgelassen hat, verändert, innerhalb der Zeit zittert und tanzt, so daß man bei der Rückkehr in einen anderen Raum gelangt, als den, welchen man verlassen hat? Ihr habt den Fluß überquert und seid in diese Stadt gekommen. Glaubt ihr wirklich, ihr könntet in eine Welt zurückkehren, wo der blaue Himmel gegen Abend violett wird und vom Licht eines einzigen silbernen Mondes Übergossen wird? Oder daß nach einem Hauch von Dunkelheit, dem eine falsche, vertraute Dämmerung vorausgeht, eine kleine Feuerscheibe aufgeht und Licht über Bäume, vereinzelte Wolken, Frauen, Männer und Menschenwerk verbreitet? Aber ihr tut es! Natürlich tut ihr es! Wie sonst können wir die billige Münze und das wertlose Papiergeld des Verstandes und des Solipsismus erhalten? Oh, wir kennen alle den Namen dieses so zweitrangigen Mondes, der sich unserer so gewöhnlichen Nacht aufdrängte. Doch der arkanische und unausgesprochene Name dessen, was heute über diesem ungewöhnlichen Tag aufging, für das George lediglich einen Trost bedeutet, das wird euch von dieser Stadt befreien. Betet mit mir! Betet! Betet, daß diese Stadt der einzige, reine, logische Raum ist, dem wir, ohne entweder Dichter oder Gott zu sein, entkommen können, wenn - was?« Jemand kam auf sie zu: Der Reverend blickte nach unten. »Was ist . . .?« Es war George. Der Reverend beugte sich herab. Einen Augenblick wollte sie hochblicken, tat es jedoch nicht und kletterte hastig von der Plattform. Ihr kleiner Kopf verlor sich zwischen den anderen.
»Nun, ich denke, es wird Zeit für mich, wieder hinauf zu Roger zu gehen.« Kamp blickte sich um. »Doch hier sind wirklich ein paar hübsche Mädchen. Das muß ich zugeben.«
»Ich denke, wir sollten jetzt alle gehen«, sagte Kid und merkte, daß Kamp sich nicht rührte. Er
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