DHAMPIR - Blutsverrat
sie die ganze Nacht miteinander gesprochen oder einfach nur Karten gespielt.
»Seht sie euch nur an«, sagte Wynn staunend, trat zur Tür und kraulte eine bunt gefleckte Katze hinter den Ohren. »Woher kommen sie alle?«
»Von überall, junge Dame«, erklang ein Bariton im Gasthof. »Und sie erzählen anderen davon, dass es hier ein Zuhause für sie gibt.«
Wynn richtete sich auf, wich einen raschen Schritt zurück und stieß gegen Leesil, der durch die Tür blickte und nicht nur weitere Katzen im Innern des Gebäudes bemerkte, sondern auch einen Mann vor einer bauchhohen Theke ohne Stühle.
Sein feuerrotes Hemd bildete einen sonderbaren Kontrast zu dem rötlichen Gesicht. Die Farbe seines Haars ließ sich unter dem verblassten gelben Kopftuch kaum feststellen. Der Mann war Mitte vierzig, mittelgroß und untersetzt. Er entsprach genau Leesils Erinnerungsbild, bis auf den Bauch, der offenbar etwas dicker geworden war.
»Willkommen«, sagte der Mann und schenkte Wynn ein offenes Lächeln. »Braucht ihr Zimmer? Wir haben genug. In letzter Zeit ist es hier recht ruhig.«
Leesil ließ Wynn zuerst eintreten. Tatsächlich waren die Katzen an diesem Abend die einzigen Gäste. Der schwach beleuchtete Schankraum enthielt nur leere Tische und Stühle. Magiere folgte, und diesmal war sie es, die Chap am Genick festhielt. Das Fell des Hundes hatte sich gesträubt, und es fiel ihm sichtlich schwer, sich zurückzuhalten.
Byrd runzelte die Stirn, als er Chap sah. »Wollt ihr ihn wirklich hereinbringen?«
»Er wird sich benehmen«, sagte Magiere.
»Oh, das hoffe ich für ihn«, erwiderte Byrd. »Hier ist er nämlich weit unterlegen.«
Leesil beobachtete, wie zwei Kätzchen unter einem wackligen Stuhl hervorkamen, das eine getigert und das andere pummelig und braun. Ein wenig besorgt beschnupperten sie Chap, dann tanzten sie um die Beine des Hundes und rieben sich an ihm.
Chap gab ein Geräusch von sich, das sich anhörte, als würde er an seinem eigenen Jaulen ersticken. Wynn beugte sich hinab und sah ihm in die Augen.
»Lass sie in Ruhe!«, befahl sie ihm. »Es sind Kinder, und sie wissen es nicht besser.«
Byrd lächelte offen, hob die kleine Tigerkatze hoch und reichte sie Wynn. »Das ist Tomate, schlau und keck. Ihr Bruder hier heißt Kartoffel und ist verschmust, aber nicht besonders gescheit.«
Wynn hielt Tomate dicht vor ihr Gesicht, und Kartoffel stieß mit dem Kopf gegen Chaps Bein und verlangte Aufmerksamkeit. Magiere löste ihre Hand langsam aus dem Fell des Hunds. Chap schnaufte und wich nur ein wenig beiseite, um Kartoffels Kopfstößen zu entgehen.
Ein Zischen und Fauchen kam von der anderen Seite des Gemeinschaftsraums, und Chap legte die Ohren an.
Der größte Kater, den Leesil je gesehen hatte, schlenderte aus der Küche in den Gemeinschaftsraum. Er war cremefarben, hatte grüne Flecken auf dem Rücken und einen so dicken Bauch, dass er fast den Boden berührte. Das linke Ohr war zerfranst, und mehrere Zähne fehlten, aber seine Krallen waren lang und spitz, und er zeigte sie ganz deutlich, als er hinter Byrd stehen blieb.
Chap knurrte und sah sich einem kampfbereiten Gegner gegenüber.
»Hör auf damit, dies sind unsere Gäste«, sagte Byrd zu dem Neuankömmling. Dann wandte er sich an Wynn und zuckte entschuldigend die Schultern. »Das ist Kleerolle, mein Partner. Er wird euch nicht belästigen, solange euer Hund ihn in Ruhe lässt.«
»Kleerolle?«, wiederholte Wynn.
»Seht euch seinen Rücken an«, sagte Byrd. »Er nutzt jede Gelegenheit, sich im Gras zu wälzen.«
»Aber die Größe seines Bauch s … « Magiere schien es sattzuhaben, über Katzen zu reden. »Es überrascht mich, dass er sich überhaupt wälzen kann. Was kosten zwei Zimmer, und wo können wir unsere Pferde unterbringen?«
Leesil behielt Byrd im Auge und erinnerte sich an die wenigen Abende, als sein Vater ihn zum Essen mitgebracht und anschließend mit ihm Karten gespielt hatte. Man durfte darauf vertrauen, dass Byrd das Richtige ta t – das hatte Gavril einmal gesagt. Damals waren diese Worte für Leesil kaum von Bedeutung gewesen, denn er hatte gelernt, allein seinen Eltern zu vertrauen. Jetzt krampfte sich tief in ihm etwas zusammen, als nach all den Jahren alte Erinnerungen aufstiegen. Unter dem Rand der Kapuze hinweg sah er Byrd in die Augen, und der ältere Mann trat neugierig einen Schritt näher.
»Kennen wir uns?«, fragte Byrd.
Er hatte sich nicht verändert, war immer direkt und offe n – so schien es
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