DHAMPIR - Blutsverrat
Nebel und Glanz.
Wynn wich von Chap zurück, und die Bewegung bewirkte ein starkes Schwindelgefühl. Furchterfüllt starrte sie auf den Hund.
Er allein war nicht von dem blauweißen Glühen des Nebels durchdrungen, aber dafür ging ein eigenes Licht von ihm aus. Sein Fell glänzte, als bestünde es aus Millionen von weißen Seidenfäden, und seine Augen schimmerten wie Kristalle im Sonnenschein.
Wynn krümmte sich zusammen und blinzelte.
Der Nebel und sein Glühen verschwanden aus dem Zimmer und mit ihm das weiße Licht. Chap saß wieder ganz normal da, neigte den Kopf zur Seite und sah sie an.
Panik stieg in Wynn auf und wurde so stark, dass sie am ganzen Leib bebte. Dies war nur einmal zuvor geschehen.
Im dunklen Wald von Dröwinka hatte sie sich in Thaumaturgie versucht, um mantische Sicht zu erlangen. Das war dumm von ihr gewesen, und schließlich hatte nur Chap sie von der außer Kontrolle geratenen wilden Magie befreien können. Bei jener Gelegenheit hatte sie einen Blick in die elementare Geistsphäre der Welt geworfen, mit der Absicht, den Weg des untoten Zauberers Vordana zu verfolgen, damit Magiere und Leesil eine Stadt vom Einfluss jenes Ungeheuers befreien konnten.
Warum war es hier erneut geschehen? Warum hatte sie an der strawinischen Grenze das sonderbare Rascheln in ihrem Kopf gehört, als sie Chap beobachtete? Und vor allem: Was war ihr offenbar geworden, ohne dass sie es verstand?
Wynn atmete mehrmals tief durch und sah in Chaps neugierig blickende Augen, bis sie aufhörte zu zittern.
Wenn sie wirklich mit ihm sprechen wollte, musste sie lernen, nicht die Gestalt des Hundes zu sehen, sondern das Wesen in ihm. Doch sie zögerte und erinnerte sich daran, wie schlecht ihr vom Rascheln im Kopf geworden wa r … Wie sollte sie ihn danach fragen oder von dem Abscheu erzählen, mit dem der Anblick seiner blutverschmierten Schnauze sie erfüllt hatte?
Wynn legte die Bürste beiseite, zog das Leder mit den Elfensymbolen heran und entrollte es.
»Cha p … «, begann sie. »An der Grenze, bevor du losgelaufen bist, um die Flüchtlinge zu rette n … Was hast du im Stadttor gemacht? Dort geschah etwas, was wir nicht gesehen haben.«
Chap verzog ein wenig die Schnauze und beschnüffelte Wynn kurz, wie um etwas zu überprüfen. Dann bellte er zweimal, leise und schnell hintereinande r – ein klares Nein.
Vielleicht kannte ihn Wynn zu gut nach all der Zeit, die sie zusammen verbracht hatten. Oder Chap war ein schlechter Lügner, wenn man ihn in die Enge trieb.
»Ich habe dich beobachtet«, sagte Wynn. »Ich habe etwas gehört un d … gespürt. Mir wurde schlecht davon, wie in Dröwinka, als du meine mantische Sicht weggeleckt hast. Während mein Blick auf dir ruhte, hörte ich flüsternde Stimmen. Was hast du gemacht?«
Sie hoffte, dass er verstan d – und dass er genug Vertrauen hatte, um ihr beim Verstehen zu helfen.
Chap stand auf, kam näher und hob den Kopf. Ein dumpfes Grollen drang aus seiner Kehle, als sich ihre Blicke trafen. Seine Eckzähne kamen zum Vorschein, und er kniff die hellblauen Augen zusammen.
Wynn versteifte sich und neigte den Oberkörper nach hinten.
Er blieb dort stehen, so lange, dass Wynns Nacken- und Rückenmuskeln von der Anspannung zu schmerzen begannen. Sie glaubte nicht, dass Chap ihr etwas zuleide tun würde, aber ihre Fragen hatten ihn stärker durcheinandergebracht als von ihr erwartet.
Chap drehte den Kopf zur Seite, in Richtung des Leders mit den Elfensymbolen. Mit der Pfote deutete er auf einzelne Zeichen, und die junge Weise übersetzte in Gedanken.
Was hast du gehört?
Langsam beugte sie sich wieder vor. »Keine Wort e … und nicht mit den Ohren, denn alle anderen scheinen nichts gehört zu haben. Wie Blätter im Wind oder Insekten in meinem Kopf.«
Chap antwortete nicht und blieb völlig reglos.
»Als wieder Stille herrschte, raschelte ein einzelnes Blatt«, fügte Wynn hinzu. »Was hast du gemacht?«
Chap setzte sich, legte den Kopf zur Seite und sah sie an.
Unter seinem Blick fühlte sich Wynn fast nackt. Versuchte er, sie einzuschätzen?
Schließlich schnaufte Chap leise, und für Wynn klang es fast resignierend. Erneut zeigte er mit der Pfote auf die Elfensymbole, und Wynns Blick folgte seinen Bewegungen.
Spior d … aræ n … Cheang’a.
»Geis t … eins-als-eins, oder zusamme n … spreche n … nein, Kommunikation?«, flüsterte Wynn.
Abgesehen von ihren unterschiedlichen Elfendialekten gab es noch das Problem, dass Chap nicht wie
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