DHAMPIR - Dunkelland
verwandelte sich in ein Netz, das durch Zweige, Blätter und Nadeln von Bäumen und Büschen reichte.
Doch auch dort bemerkte sie ein Nachlassen des Glühens, wie bei den Gebäuden des Ortes.
Ein naher Baum mit kahlen Ästen hatte fast seinen ganzen inneren Glanz eingebüßt und wirkte wie ein Skelett aus Schatte n – er war fast tot. Wynn schluckte, atmete tief durch und kämpfte gegen Übelkeit an.
»Hat es geklappt, Wynn?«, fragte Leesil. »Kannst du etwas erkennen?«
Sie drehte sich halb um, und Leesils Anblick erstaunte sie. Er schimmerte wie ein von innen leuchtender Geist. Am hellsten schien er dort, wo seine dunkle Haut unbedeckt war, am wenigsten an jenenStellen, wo sich sein Körper unter dem Lederhemd und dem Rest der Kleidung verbarg. Seine bernsteinfarbenen Augen glitzerten wie Edelsteine im Sonnenschein, so hell, dass ihr Licht Wynn fast blendete.
»J a … «, antwortete sie. Das Sprechen fiel ihr schwer. »Ich kann sehen.«
Leesils Strahlen verschwamm ein wenig.
Wynn setzte sich auf, obwohl ihr dadurch wieder übel wurde. Sie blickte Richtung Wald und dann zum Ort an der Straße. Nichts veränderte sich.
Dann bemerkte sie es erneut. Ein leichtes Wogen im glühenden Duns t – er bewegte sich.
»Vordan a … er kommt«, brachte sie hervor.
»Wo?«, fragte Magiere hinter ihr.
Wynn drehte den Kopf von einer Seite zur anderen und versuchte festzustellen, woher das Wogen kam und in welche Richtung es ging. Es wurde allmählich stärker, und die einzelnen Strömungen führten in die gleiche Richtung.
»Richtung Osten«, sagte sie und hörte Chaps leises Knurren. »Er kommt aus dem Wald jenseits des Ortes.«
»Leesil, lauf durch den Ort und versuch an ihm vorbeizukommen«, sagte Magiere. »Chap und ich locken ihn zur Straße und versuchen, ihn auf dieser Seite der Brücke zu stellen. Wir lenken ihn ab, bis du von hinten kommst. Wynn, bleib hinter Chap und mir außer Sicht.«
Wynn griff nach den dunklen Konturen der Armbrust.
Die Strömungen des Nebels veränderten sich.
Sie führten noch immer nach Osten, entlang der Straße nach Pudúrlatsat.
»Wartet«, sagte sie rasch. »Ich glaub e … ich glaube, er kommt über die Hauptstraße.«
» Valhachkasej’â!«, fluchte Leesil leise. »Er will in den Ort. Kleine Änderung des Plans: Ich laufe nach Osten und versuche hinter ihn zu gelangen. Haltet ihn so lange beschäftigt.«
Wynn beobachtete, wie Leesil seine Fackel löschte und loslief. Sein Glühen vermischte sich mit dem Netz im Wald, und dann war er verschwunden.
»Das genügt, Wynn«, sagte Magiere. »Wir wissen, wo er ist. Komm.«
Wynn stand auf und trat aus dem Kreis.
Die Welt blieb eine Überlagerung geisterhafter und verschwommener Bilder. Es hätte in dem Moment aufhören müssen, als Wynn sich von den Symbolen im Boden abwandte, aber das war nicht der Fall.
Die Übelkeit nahm schlagartig zu. Erneut sank sie auf die Knie und übergab sich.
Zwei Hände ergriffen sie von hinten an den Schultern und zogen sie hoch.
»Was ist los?«, fragte Magiere.
»Es hätte vorbei sein müssen«, ächzte Wynn. »Aber e s … hört nicht auf.«
»Schließ die Augen«, sagte Magiere. »Damit du nichts mehr siehst. Wir müssen jetzt los!«
Wynn wurde herumgerissen, noch bevor sie die Augen schließen konnte.
Glühende Bahnen strömten durch Magiere, wie bei Leesil, aber ihnen fehlte sein Glanz.
Und Magieres Essenz enthielt auch dunkle Linien, wie die des sterbenden Baumes. Schwarze Bänder reichten durch das blauweiße Schimmern, un d …
Sie bewegten sich.
Wynns Hände schlossen sich fester um Magieres Unterarm. Ein eigenes Glühen ging von ihnen aus, das Licht ihrer Essenz, und es kroch über Magieres Haut. Wynn hob den Blick, fand aber nicht das bernsteinfarbene Schimmern wie bei Leesil.
Magieres Augen waren pechschwarz.
An jenem Abend erwachte Welstiel ohne das Gefühl der Desorientierung. Diesmal war seine Ruhezeit traumlos geblieben, und ohne eine Verzögerung erinnerte er sich an die Ereignisse der letzten Nacht.
Chane hatte eine große Plane besorgt, und als der Sonnenaufgang näher rückte, zogen sie sich in einen dichten Wald zurück. Er versteckte die Pferde, improvisierte ein Zelt aus der Plane und tarnte es mit Ästen und Zweigen.
»Mein Vater hat mich das gelehrt«, erklärte er. »Wenn wir auf der Jagd waren, haben wir oft im Freien
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