Dhampir - Seelendieb
Kanalisationstunnel, mit Wynn auf der Schulter, und folgte dem Strom des knöcheltiefen Schmutzwassers in Richtung Bucht. Er wollte in einem Armenviertel des dritten Kreises nach oben zurückkehren und in den dunklen Straßen verschwinden. Mit ein wenig Glück fiel Toret der Dhampir und dem Halbelf zum Opfer, was für ihn die lang ersehnte Freiheit bedeuten würde.
Wynn würgte mehrmals, entweder wegen des Gestanks oder weil seine Schulter immer wieder gegen ihren Magen stieß, als er durch das dreckige Wasser stapfte.
»Chane, bitte«, brachte sie hervor. »Setz mich ab.«
Er blickte zurück, sah aber nur kahle Steinwände, und so kam er Wynns Aufforderung nach. In der einen Hand hielt sie noch immer den glühenden Kristall.
»Wir müssen uns beeilen«, drängte Chane. »Wenn Toret entkommt und uns folgt, tötet er dich. Oder er befiehlt mir, dich zu töten, und ich bin gezwungen, seinen Anweisungen zu gehorchen.«
Er griff nach Wynns Unterar m – in der anderen Hand hielt er nach wie vor das lange Schwer t – und zog sie weiter. Die Brust schmerzte noch immer dort, wo ihn der Armbrustbolzen getroffen hatte, und die von den Zähnen des Hunds stammenden Wunden in den Beinen brannten. Wynn versuchte, sich loszureißen, aber er schloss die Hand noch fester um ihren Unterarm und erlaubte nicht, dass sie stehen blieb.
»Was sagst du da?« Furcht und Verwirrung erklangen in ihrer Stimme. »Lass mich los. Ich behindere dich nur. Allein kommst du schneller voran.«
Chane wünschte, er könnte sie allein mit der Kraft seines Willens dazu bringen, ihren Widerstand aufzugeben. Doch dann verließ ihn der Ärger.
Der Saum ihres Umhangs war durchnässt, was ihn schwerer machte, und Chane spürte, wie Wynn zitterte. Kaltes Wasser blieb ohne Wirkung auf ihn, aber sie lebte und litt daran. Ein Blick in ihr rundes, weiches Gesicht teilte ihm mit, dass die Kälte nur ein Grund für ihr Zittern war.
Tränen hatten Spuren auf ihren Wangen hinterlassen, und die Lippen bebten. Ihr Atem kondensierte in der kalten Luft. Die braunen Augen erwiderten Chanes Blick, sahen ihn aber nicht so an wie den Besucher, der aus intellektueller Neugier gekommen war, mit dem Wunsch, mehr zu erfahren und in aller Ruhe eine Tasse Tee zu trinken.
Furcht lag in Wynns Blick.
Chane ließ sie nicht los.
»Das Wesen, das dich auf der Treppe angegriffen hat, ist mein Schöpfer«, sagte er. »Es hat mich zu seinem Artgenossen und Sklaven gemacht, und ich muss allen seinen Befehlen gehorchen. Es kann spüren, wohin sein Diener verschwunden ist, und wenn er uns folgt und finde t … Dann stirbst du, so oder so.«
»Du bist also ei n … Vampir?«, fragte Wynn leise. »Du has t … Menschen getötet und ihr Blut getrunken?«
»Um zu überleben«, sagte Chane. »Toret machte mich zu einem lebenden Toten, weil er Geld und Schutz brauchte. Ich konnte ihm beides gewähren. Ich habe nicht darum gebeten, zu einem Vampir zu werden, aber ich akzeptiere, was ich bin, wie jedes andere Geschöpf.«
»Es ist also nicht deine Schuld?«, fragte Wynn.
Konnte sie verstehen?
»Es ist eine Frage des Blickwinkels«, sagte Chane. »Etwas für die Philosophen deiner Gilde.«
Er sah erneut durch den Tunnel zurück, fühlte sich von neuer Unruhe erfasst und ging weiter. Diesmal versuchte Wynn nicht, hinter ihm zurückzubleiben.
»Du könntest mich beim nächsten Gitter nach oben klettern lassen«, sagte sie zwischen schnaufenden Atemzügen. »Bitte, Chane, lass mich gehen.«
»Toret oder Saphir versuchen vielleicht, zu uns aufzuschließen«, antwortete er. »Es ist zu gefährlich.«
»Aber du hast gesagt, dass du Toret gehorchen musst, wenn er dich findet.« Als Chane still blieb, rief Wynn: »Wenn du ein Mörder bist, warum beschützt du mich dann?«
Chane zog sie schneller durchs schmutzige Wasser.
»WeildudeinLebennichtmitsinnloserArbeitvergeudest«,brummteer,alslägedieAntwortaufderHand.»DiemeistenMenschensindkaummehralsVieh,undihrTodbleibtohneFolgen.«
Wynn wich zurück und überraschte Chane so sehr, dass er fast stehen geblieben wäre.
»Duhastmichgerettet,weilichzudenWeisengehöre?«,fragtesie.»WeilmeinKopfvollerWissenist,dasdunützlichfindest?«
»Natürlich«, sagte Chane.
Aber es war nur die halbe Wahrheit, und für die andere Hälfte war dies weder die richtige Zeit noch der geeignete Ort. Als Chane noch einmal zurücksah, bemerkte er weit hinten im Tunnel ein flackerndes Licht.
»Eine Fackel«, sagte Wynn. »Würden Saphir oder Toret eine Fackel
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