Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
Tempel von Bedzâ’kenge betraten?«
Chane war so überrascht, dass ihm die Worte fehlten.
»Ja, ich habe es bemerkt«, fuhr Wynn fort. »Du hattest Angst davor, einen heiligen Ort zu betreten. Wir beide wissen, dass es unvernünftige Dinge gibt, an die wir nicht glauben wollen, und doch …«
Chane sah sich in dem Raum um. Wynn meinte Theurgie, den Zugang zu höherer geistiger Macht. Aber das war doch nur eine andere Form des Priester-Unsinns, oder?
Er spürte ein Prickeln, das ihm seinen wachsenden Hunger in Erinnerung rief. Befand er sich hier an einem heiligen Ort? War dies ein Verlies für Leute, die glaubten, dass ihre Vorfahren, ob heilig oder sündig, in dieser Welt existierten und nicht in irgendeiner Art von Jenseits?
Chane ging an Wynn vorbei zur Tunnelöffnung auf der anderen Seite. Dahinter war es so dunkel, dass er nichts sehen konnte, bis Licht von hinten kam. Wynn näherte sich mit ihrem Kristall, und in seinem Glühen schälte sich ein kleiner runder Raum aus der Finsternis.
An der Rückwand stand ein einzelner Sarkophag, und Chane fragte sich, warum er von den anderen getrennt war.
Er wich zurück – bis er gegen Wynn stieß und sich umdrehte.
»Was ist los mit dir?«, fragte sie.
»Abgesehen davon, dass wir eingesperrt sind?«
»Ja.«
Er mied ihren Blick, als er sagte: »Ich untersuche die Wand nach weiteren Öffnungen und sehe auch bei der Treppe nach.«
Chane ging an der Wand hinter den Sarkophagen entlang. Seinen Hunger erwähnte er nicht. Sie hatten derzeit genug andere Sorgen, und er wollte Wynn nicht noch mehr beunruhigen.
Aber sie mussten diesen Ort verlassen, und zwar bald.
Wynn sah Chane nach und dachte erneut an seine seltsamen Augen, die noch nie so lange farblos gewesen waren. Etwas stimmte nicht mit ihm, und es lag nicht nur an diesem besonderen Ort. Aber sie konnte ihn nicht zwingen, ihr Auskunft zu geben.
Sie betrat den kleinen Raum und fragte sich, warum dieser Sarkophag abseits der anderen stand. Plötzlich fielen ihr Worte ein, die sie gehört hatte.
Chârmun … agh’alhtahk so. A’lhän am leagad chionns’gnajh.
Sie erinnerte sich an Chuillyons Flüstern.
Chârmun, schenke diesem Ort deine Gnade. Erfülle mich mit deiner absoluten Natur.
Was bedeutete das? Warum hatte er von dem Baum namens Zuflucht auf der Ersten Lichtung geflüstert, und zwar so, als erwartete er eine Antwort von ihm? Wie in einem Gebet?
Wynn dachte erneut an Magieres Schilderungen in Bezug auf die Erinnerungen des Ältesten Vaters, die nicht nur den Fall von Bäalâle Seatt betrafen.
Der Älteste Vater – einst Sorhkafâré genannt, Licht auf dem Gras – hatte während des mythischen Kriegs gelebt. Als Kommandeur eines alliierten Heeres war er mit den Resten seiner Truppen vor einer Horde von Untoten geflohen, die jede Nacht angriffen. Tagsüber rasteten sie und flohen des Nachts vor dem gnadenlosen Feind, bis die letzten Überlebenden schließlich die Erste Lichtung erreichten. Wo sie feststellten, dass ihnen die Untoten nicht dorthin folgen konnten.
Wynn hatte immer von der Ersten Lichtung und ihrem großen Baum Chârmun gewusst. Nur wenige ihr bekannte Personen waren jemals dort gewesen, und sie gehörte nicht zu ihnen – noch nicht. Kaum jemand schien zu begreifen, dass jener Ort seit der Vergessenen Zeit existierte; weder die Lhoin’na noch Wynns Zweig der Gilde hatten es jemals erwähnt.
Es erschien Wynn unmöglich, dass sie nicht von der Existenz der Ersten Lichtung vor dem Krieg wussten. Und dieser Elf, der die Herzogin begleitete und wie ein Weiser gekleidet war, allerdings in einer Farbe, die sich keinem Orden der Gilde zuordnen ließ … Er hatte den Namen des Baums geflüstert: Zuflucht.
Und dieser Name, der immer bekannt gewesen war, gewann durch das, was Wynn von Magiere erfahren hatte, noch größere Bedeutung.
Wynn schob diese Gedanken beiseite, als sie vor den Sarkophag des kleineren Raums trat. Sie war nicht sicher, ob sie diesen Ort wirklich erkunden wollte, aber natürlich musste sie die Gelegenheit nutzen, mehr über die Steingänger zu erfahren. Vielleicht fand sie etwas heraus, das ihr dabei half, Zugang zu den Texten zu bekommen.
Sie hob ihren Kristall zu einer länglichen Erhöhung des Sarkophags und strich mit den Fingerkuppen über die dortigen Symbole. Sie stellten eine Art Grabinschrift dar, aber nicht von der Art, wie man sie auf dem Grab einer geliebten Person oder eines Vorfahren fand. Ihre Finger ertasteten runde Vubrí , und sie versuchte,
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