Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
Verrückte in der Höhle mit dem Becken …
Und was am schlimmsten war: Der Wrait existierte noch immer und war zunächst unbemerkt in die Unterwelt eingedrungen.
Chane sah auf den Ring des Nichts an seinem Finger hinab. Er trug ihn schon so lange, dass er ihn manchmal vergaß. Der Ring war notwendig, oder besser gesagt: Er war notwendig gewesen. Aber wenn er nicht an seinem Finger gewesen wäre, als sie diesen Ort betreten hatten …
Selbst Schatten hatte den Wrait erst gespürt, als es schon zu spät gewesen war. Chane hatte ihn überhaupt nicht gefühlt, weil der Ring seine Wahrnehmung dämpfte. Der Wrait würde zurückkehren, und er musste bereit sein.
Chane fasste mit der anderen Hand nach dem Ring. »Schatten?«
Die Hündin drehte den Kopf und sah ihn an. Er zeigte ihr, was er vorhatte, und sie schaute einfach nur wieder in den Tunnel.
Chane zog den Ring ab.
Für einen Moment kräuselte sich die Welt wie die Oberfläche eines Teichs. Ohne den dämpfenden Einfluss des Rings wurden seine Sinne schärfer.
Chane roch Schattens Leben und das von jemand anderem am Ende des Tunnels. Jene Präsenz verschwand sofort wieder, doch das Ungeheuer in ihm hatte sie deutlich gefühlt und zerrte erneut an seinen Ketten.
Schatten gab keinen Ton von sich, aber Chane sah, dass sich ihr Rückenfell sträubte.
Einer von ihnen beiden, so hoffte er, würde die Rückkehr des Wraits rechtzeitig spüren.
Chane trat zu den Rucksäcken und ließ sich neben ihnen nieder. Der Hunger machte ihm zu schaffen. Er schloss die Augen und versuchte, an etwas anderes zu denken …
An die Steingänger und ihre Geheimnisse …
An weiß gekleidete Elfen, die logen und etwas verbargen …
An Meereswesen und einen für tot gehaltenen Prinzen.
Manchmal wünschte er sich, dies alles hätte nie begonnen. Es wäre viel einfacher gewesen, sich jeden Abend in die Bibliothek zu schleichen und Wynn dort für ein paar Stunden Gesellschaft zu leisten, auch wenn er den Rest der Nacht in irgendeinem Schuppen verbrachte. Aber was er gesehen hatte, verlangte Aufmerksamkeit, selbst während das Dämmern nach ihm tastete.
Ein angeblich toter Prinz dieses für ihn fremden Landes hatte mit Wesen aus dem Meer gesprochen. Dieses Rätsel beschäftigte ihn noch mehr als die anderen. Was steckte dahinter? Es war ein sehr seltsames Geheimnis, und offenbar verbarg sich darin so viel Bedeutung, dass die Herzogin fast bereit gewesen wäre, dafür zu töten.
Dann tauchten neue Bilder auf. Chane stand zwischen den Regalen der Gildenbibliothek. Er wollte das erstbeste Buch nehmen und wusste, dass es ein bestimmtes zu finden galt, aber er konnte sich nicht mehr an den Titel erinnern. Als er sich mit der Absicht umdrehte, Wynn zu fragen, sah er das Becken durchs Gitter am Ende des Meerestunnels. Er starrte den Mann an, der dort stand und ihm die Hände entgegenstreckte …
Ein Traum … Und innerhalb des Traums fragte er sich nach dem Grund dafür.
Das Dämmern hielt keine Träume für Untote bereit. Und doch träumte er gelegentlich.
Er hörte etwas, das ihn veranlasste, sich umzudrehen, während er bis zu den Hüften im kalten Wasser des Tunnels stand. Aber Wynn war nicht da, und Schatten ebenso wenig. Die tiefe Dunkelheit hinter ihm, die den ganzen Tunnel ausfüllte, schien sich zu bewegen, wie ein dunkler Schlangenleib, dessen Schuppen schwaches Licht reflektierten.
Erstickende Kälte. Eine Finsternis, die völlige Stille brachte …
Wynn fühlte kalten Stein am ganzen Leib und konnte sich nicht rühren. Enormer Druck schien auf ihr zu lasten, und sie fühlte sich halb zerquetscht, als immer mehr Wärme aus ihrem Körper gezogen wurde.
Sie war lebendig begraben.
Entsetzt versuchte sie zu schreien, konnte den Mund aber nicht öffnen. Kiefer und Lippen bewegten sich nicht. Ihre Lunge begann zu brennen und gierte nach frischer Luft.
»Es geht schnell vorbei«, sagte jemand.
Die plötzliche Stimme in der Stille ließ sie zusammenzucken, und die Beine gaben unter ihr nach. Ihr linker Arm schmerzte, doch etwas Licht kam in die Dunkelheit.
»Atmet«, wies eine raue Stimme sie an. »Öffnet den Mund und atmet, Närrin!«
Wynn kam der Aufforderung nach und schnappte nach Luft. Ihr schwindelte, aber etwas hielt sie am linken Handgelenk fest und wollte nicht loslassen.
»Wenn Ihr Euch den Empfindungen hingebt, dauern sie länger. Kämpft dagegen an!«
Wynn öffnete die Augen.
Asche-Splitter beobachtete sie in der Düsternis. Ihre linke Schulter tat weh, und sie
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