Dhampir
das Blut der eigenen Art zu spüren, das bei Magieres Empfängnis benutzt worden war.
Er hatte versucht, eine Verbindung mit dem Bewusstsein der Séyilf herzustellen und Erinnerungen zu empfangen, aber er sah nur Bilder, die ihn selbst und seine Schützlinge auf dem Weg durch die Berge zeigten. Diese Vogelfrau war es gewesen, die eine Spur hinterlassen und ihn im Schneesturm gerufen hatte. Nur das erfuhr Chap. Antworten auf die Fragen, warum ihnen die Séyilf zweimal geholfen hatte und wie lange sie sie schon beobachtete, bekam er nicht.
Chap hatte sich auf einen Kampf vorbereitet und ihn sich in gewisser Weise sogar gewünscht, oder zumindest genug Ablenkung, damit er sich die eine Person vornehmen konnte, auf die es ankam, den Ältesten Vater.
Er hatte die Verblüffung der An’Cróan gesehen, als die Majay-hì in dieser Angelegenheit ihre »Stimme« abgaben. Seerose hatte vermutlich ihre Position im Rudel aufs Spiel gesetzt, als sie für Chap eintrat, aber alle Majay-hì teilten eine gewisse Feindseligkeit gegenüber dem Oberhaupt der Anmaglâhk, der für ein natürliches Leben viel zu alt war und Magiere vorwarf, eine Untote zu sein.
Vielleicht, dachte Chap, hatten die Seinen recht. Vielleicht hatte ihn die Fleischwerdung tollkühn werden lassen. Und wenn schon, inzwischen kümmerte es ihn nicht mehr.
Chap nahm zur Kenntnis, dass die Träger des Ältesten Vaters nicht zum Patriarchen eilten. Damit hatte er ein Problem weniger. Er wollte Antworten, und er würde sie bekommen.
Fréthfâre trat ihm in den Weg, als er sich dem Alten näherte.
»Wir haben eine Nachricht für den Ältesten Vater«, sagte Wynn.
Chap bellte einmal, ohne den Blick von dem uralten Greis abzuwenden.
» Snaw…, hac… «, begann Leesil und seufzte resigniert.
»Snähacróe«, sprang Wynn für ihn ein.
Als der Älteste Vater den Namen hörte, wurden seine trüben Augen groß, und er setzte sich auf.
»Er lässt dir mitteilen, dass er auf seinen Kameraden wartet!«, rief Leesil dem Alten zu. »Wenn er schließlich bereit ist zu ruhen.«
Chap schickte seine Gedanken in den Kopf des Greises und wartete.
Geräusche und Bilder stiegen auf, in ihrer Mitte das Gesicht eines großen Elfen mit breiten Jochbeinen. Chap schob alles andere beiseite und konzentrierte sich auf die Erinnerungen des Ältesten Vaters.
In der Dunkelheit der Nacht stand Sorhkâfaré zwischen den Bäumen, die Aonnis Lhoin’n umgaben, die Erste Lichtung.
Der längste Marsch seines Lebens hatte ihn ins Land seines Volkes gebracht, das jetzt nicht mehr zu sein schien als eine letzte Zuflucht in einer Welt des Unheils. Er hatte seine schrumpfende Gruppe in der Hoffnung zu diesem Ort geführt, andere Überlebende und Hilfe zu finden. Aber er hörte noch immer das Knurren und Heulen der nächtlichen Horde am Rand des Waldes.
Die Städte und Dörfer, durch die sie während ihrer langen Flucht gekommen waren, jede Festung auf ihrem We g – überall stießen sie auf wie von Raubtieren zerfetzte Leichen. Sie fanden nur wenige Lebende, und die flohen mit ihnen vor den bleichen Ungeheuern mit den hellen Augen.
In jeder Nacht wuchs die Zahl der Verfolger.
Weniger als die Hälfte jener, die das Heereslager zusammen mit Sorhkâfaré verlassen hatten, erreichte mit ihm den Wald seines Volkes. Nicht einer der Zwerge schaffte es. Thalhómêrk war als Letzter von ihnen gestorben, zusammen mit Sohn und Tochter.
Während des endlosen Marsches durch die Dunkelheit hatte Sorhkâfaré die Flüche des Zwergenlords gehört. Er hatte über die Schulter geblickt und beobachtet, wie Thalhómêrk unter einem Berg aus bleichen Körpern verschwand. Der Zwerg setzte sich zur Wehr, und Knochen knackten und knirschten, als er mit Streitkolben und Fäusten zuschlug. Und die Horde stürmte weiter auf Sorhkâfaré zu, über Thalhómêrks Sohn und Tochter hinweg. Er wusste nicht, wer von ihnen schrie, denn der Schrei verlor sich in Hoil’lhâns Heulen. Sie wirbelte herum.
Ihr langes Haar wogte, als sie den Speer mit dem dicken Metallschaft herumschwang und sein Ende in ein bleiches Gesicht rammte. Schwarzes Blut spritzte.
Hoil’lhâns Vorliebe für die Gesellschaft von Zwergen und Menschen blieb Sorhkâfaré ein Rätsel, auch ihr ruheloses, wildes Wesen. Vielleicht hatte sie zu oft getötet.
Ohne zu zögern drehte sie den Speer, als sich ihr drei weitere bleiche Gestalten näherten. Die breite, lange Spitze bohrte sich einer in die Brust, und Hoil’lhân zog den Speer sofort wieder
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