Dhampir
Fréthfâre aus eigenem Antrieb handelte, hätte sich noch mehr Zwiespalt ergeben.
»Zuerst suche ich Léshil und finde heraus, was hier gespielt wird«, entschied er.
»Ich komme mit«, sagte Gleannéohkân’thva.
»Nein, ich muss laufen.«
»Glaubst du vielleicht, ich könnte nicht mit dir Schritt halten? In deiner Kaste gibt es einen Konflikt. Du brauchst ein Clan-Oberhaupt, und ich stehe zur Verfügung.« Er wandte sich an Leanâlhâm. »Verlass diesen Wohnbaum nicht, und sag niemanden, wohin wir unterwegs sind. Wenn jemand frag t … Sag, dass wir Proviant für die Reise holen.«
Leanâlhâm nickte schnell. »Beeilt euch!«
Gleannéohkân’thva streifte seinen Mantel über und wartete Sgäiles Einverständnis nicht ab.
»Bleib hinter mir«, sagte Sgäile zu seinem Großvater. Vielleicht konnte er die Stimme eines Ältesten gebrauchen.
Sie verließen die Eiche und rannten nicht durch Crijheäiche, sondern am Fluss entlang zum Wald.
23
Magiere lief neben Leesil, und ein Teil von ihr zweifelte noch immer daran, dass sie endlich einmal Glück hatten. In Dröwinka, während der Reise in ihre Vergangenheit, hatten sie die grässlichen Umstände ihrer Empfängnis erfahren. Der Weg durch die Kriegsländer und in Leesils Vergangenheit hatte sie mit noch mehr Schmerz und Tod konfrontiert.
Magiere hatte gehofft, dass sie im Reich der Elfen etwas anderes erwartete, und jetzt schien sich Leesils Wunsch endlich zu erfüllen. Sie hatten Nein’as Freilassung ohne Blutvergießen erreicht und sollten anschließend sicheres Geleit bekommen zu einem Reiseziel ihrer Wahl.
Es blieb die Frage von Welstiels Artefakt, und in dieser Hinsicht wusste Magiere kaum, wo sie beginnen sollte. Wenn dieses Problem gelöst war, konnten sie heimkehren.
Brot’an und Chap liefen vorn, Wynn befand sich in der Mitte der Gruppe, und Leesil und Magiere bildeten den Abschluss. Magiere wusste nicht, ob ihr Nein’as Gesellschaft gefallen würde, aber sie schob diesen Gedanken beiseite. Derzeit ging es vor allem um ihre Freihei t – und darum, dass Leesil die schwere Bürde jahrelanger Schuld ablegte.
»Kennt ihr den Weg?«, rief Wynn Brot’an und Chap zu.
Chap bellte einmal und warf den Kopf hin und her, ohne langsamer zu werden. Rechts sah Magiere einen weißen Majay-hì, gefolgt von zwei silbergrauen.
»Wie lange sind sie schon bei uns?«, rief sie.
Niemand antwortete. Sie liefen weiter, in einer Geschwindigkeit, die auf Wynns kurze Beine Rücksicht nahm.
»Wie sie wohl darauf reagieren wird?«, fragte Leesil. »Darauf, plötzlich frei zu sein.«
»Was?«
»Meine Mutter. Sie war so lange auf der Lichtung gefangen. Vielleicht kann sie zunächst gar nicht glauben, endlich frei zu sein.«
»Leesi l … «, begann Magiere.
Etwas zischte, und sie sah, wie sich Brot’an umdrehte und duckte.
Er war nicht schnell genu g – ein Pfeil traf ihn am Hinterkopf. Brot’an fiel zu Boden und blieb reglos liegen.
Magiere sprang zur Seite und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Leesil Wynn am Mantel packte und sie hinter einen Baum zog. Sie spähte in die Richtung, aus der sie kamen und zog ihr Falchion. Leesil nahm eine seiner speziellen Klingen zur Hand.
Chap war verschwunden, aber Magiere wusste, dass er in der Nähe war. Sie hielt nach Bewegungen Ausschau, ohne etwas im Wald zu entdecken.
»Ist er tot?«, fragte Wynn bestürzt und wollte zu Brot’an kriechen.
Leesil zog sie zurück.
Magiere konnte Brot’ans Gesicht nicht sehen, aber er rührte sich noch immer nicht. Neben ihm lag ein Pfeil. Er hatte sich ihm nicht in den Kopf gebohr t – vielleicht hatte er Glück gehabt, auch wenn es nicht danach aussah.
Sie zögerte, besann sich dann auf ihre dunkle Seite und ließ die Dhampir erwachen. Sofort wurde ihre Nachtsicht besser, und sie konzentrierte sich auf den Pfeil.
Er endete nicht in einer Spitze, sondern in einer Metallkugel. Von wem auch immer dieser Pfeil stammt e – er hatte Brot’an nicht töten, ihn nur außer Gefecht setzen wollen.
»Atmet er?«, flüsterte Magiere.
Wynn reckte den Hals. »Ja.«
»Äruin’nas?«, fragte Magiere und schaute wieder den Weg entlang.
»Ich sehe keine«, antwortete Leesil.
Ein leises Pochen. Magiere wirbelte herum.
Eine graugrün gekleidete Gestalt stand zwischen ihr und Brot’an, in jeder Hand ein Stilett. Bernsteinfarbene Augen starrten Magiere an. Die untere Hälfte des Gesichts verbarg sich hinter einem Tuch, aber die Augen genügten Magier e – sie wusste, um wen es sich
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