Diamantene Kutsche
glauben, aber die Operation ist sehr wichtig, und ich trage dem Herrn Vize-Intendanten und dem Herrn Minister gegenüber die Verantwortung dafür.«
Twiggs rieb sich die Hände.
»Na schön, ich bin bereit, mit Vergnügen. Leihen Sie mir einen Ihrer großartigen Colts, Sir?«
Der Sergeant reichte ihm einen Revolver. Der Doktor warf seinen Gehrock ab und trug nun nur noch eine Weste. Er lockerte die rechte Hand, griff nach dem Hahn, zielte sorgfältig und traf gleich mit dem ersten Schuß eine der Strohpuppen ins Handgelenk – das Bambusschwert fiel zu Boden.
»Bravo, Doc!«
Twiggs verschluckte sich von dem kräftigen Hieb auf den Rücken. Doch der Inspektor schüttelte den Kopf.
»Sensei, bei allem Respekt … Die Räuber werden nicht dastehen und warten, bis Sie gezielt haben. Das ist schließlich kein europäisches Pistolenduell. Sie müssen sehr, sehr schnell schießen und dabei noch berücksichtigen, daß Ihr Gegner sich in dem Moment ebenfalls bewegt.«
Der Japaner betätigte mit dem Fuß einen Schalter, und die Puppen drehten sich mitsamt ihrem Holzpodest wie ein Karussell.
Twiggs ließ verblüfft den Revolver sinken.
»Nein … Das habe ich nicht gelernt … Das kann ich nicht.«
»Lassen Sie mich mal!«
Der Sergeant schob den Doktor beiseite. Er stellte sich breitbeinig hin, ging leicht in die Hocke, riß seinen Colt heraus und feuerte viermal hintereinander. Eine der Puppen stürzte vom Podest, Stroh flog nach allen Seiten.
Asagawa ging hin und bückte sich.
»Vier Löcher. Zwei in der Brust, zwei im Bauch.«
»Was haben Sie denn gedacht! Walter Lockstone schießt nie daneben.«
»Das taugt nicht.« Der Japaner richtete sich auf. »Wir brauchen sie lebend. Wir müssen auf die Hände schießen.«
»Ha, das versuchen Sie mal! Das sagt sich so leicht!«
»Ich werde es gleich versuchen. Wenn es Ihnen keine Mühe macht, drehen Sie doch bitte das Schwungrad. Aber bitte möglichst schnell. Und Sie, Herr Vizekonsul, geben das Kommando.«
Der Sergeant ließ die Puppen so rasen, daß es vor den Augen flimmerte.
Asagawa hatte die Hand in der Tasche.
»Feuer!« rief Fandorin, und noch ehe das kurze Wort verklungen war, ertönte der Schuß.
Der Inspektor schoß, ohne zu zielen, aus der Hüfte. Beide Puppen standen noch.
»Aha!« rief Lockstone triumphierend. »Daneben!«
Er hörte auf, das Schwungrad zu treten, die Figuren wurden langsamer, und nun sah man, daß die Hand, an der das Schwert angebunden war, schief hing.
Der Doktor trat näher und beugte sich darüber.
»Genau in die Sehne. Mit einer solchen Verletzung kann ein Mensch nicht einmal einen Bleistift halten.«
Dem Sergeant klappte der Unterkiefer herunter.
»Verdammt, Go! Wo haben Sie das gelernt?«
»Ja, in der Tat«, fiel Fandorin ein, »etwas Derartiges habe ich noch nie g-gesehen, nicht einmal im italienischen Zirkus, wo der Maestro eine Nuß vom Kopf seiner eigenen Tochter schoß!«
Asagawa senkte bescheiden den Blick.
»Nennen Sie es ruhig ›japanischer Zirkus‹«, sagte er. »Ich habe lediglich zwei unserer alten Künste kombiniert: Battojutsu und Inu-omono. Das erste ist …«
»Ich weiß, ich weiß!« unterbrach ihn Fandorin aufgeregt. »Die K-kunst, das Schwert b-blitzartig aus der Scheide zu ziehen. Das kann man lernen! Und was ist Inu-omono?«
»Die Kunst, mit Pfeil und Bogen auf rennende Hunde zu schießen«, antwortete der Wunderschütze, und Fandorin resignierte sogleich, denn um einen solchen Preis wollte er kein Wunderschütze werden.
»Sagen Sie, Asagawa-san«, fragte Fandorin, »sind Sie sicher, daß Ihre anderen beiden Männer genauso gut schießen?«
»Viel besser. Darum ist meine Aufgabe der Mann mit dem verkrüppelten Arm, für ihn genügt eine gut gezielte Kugel. Aber bestimmt möchte der Herr Vizekonsul auch seine Kunst demonstrieren? Ich lasse nur die Hände wieder an den Zielscheiben befestigen.«
Fandorin seufzte.
»D-danke sehr. Ich sehe, die japanische Polizei wird die Operation auch ohne uns bestens durchführen.«
Aber es kam zu keiner Operation. Das ausgeworfene Netz blieb leer. Die Satsumaer kehrten nicht zur Scheune zurück – weder am Tag, noch in der Abenddämmerung, noch im Dunkel der Nacht.
Als die umliegenden Hügel sich in den Strahlen der aufgehenden Sonne rosa färbten, sagte Fandorin zu dem mürrischen Inspektor Asagawa: »Sie kommen nicht mehr.«
»Das kann nicht sein! Ein Samurai läßt niemals sein Schwert zurück!«
Am Ende der Nacht war von der spöttischen
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