Diamantenschmaus
Augenblick, in dem sich der Minister umdrehte,
um zu sehen, was denn hinter ihm los war, stürzte der ältere seiner beiden Beschützer,
ein Alfred Beranek, der bis dahin einen Rückstand von etwa 50 Metern
gegenüber seinem jüngeren Kollegen aufgerissen hatte, mit einem gewaltigen,
vorläufig letzten Schnaufer wie ein gefällter Baum zu Boden.
Nun befand sich der zweite Bodyguard, dessen Namen
Schneckenburger im Moment partout nicht einfallen wollte, in einem Dilemma.
Sollte er sich als Beamter weiterhin pflichtgemäß um seinen Minister kümmern,
der keine erkennbaren Probleme hatte? Oder sollte er sich als Mensch dafür
entscheiden, seinem am Boden liegenden Kollegen zu Hilfe zu eilen?
Er entschied sich als Mensch und das brachte ihm Pluspunkte
beim Minister ein. Kurz darauf bemühten sich beide um den Bewusstlosen.
Gernot …, der Nachname wollte Schneckenburger noch immer nicht einfallen, und
der Minister knieten neben dem am Boden Liegenden und leisteten ihm gemeinsam
Erste Hilfe.
Die meisten Passanten waren, wie’s eben so üblich war, stehen
geblieben, um ihre Neugierde zu befriedigen. Nachdem sie den Minister erkannt
hatten, spendeten ihm einige spontan Applaus.
Als die Rettung nach wenigen Minuten erschien, atmete Beranek
wieder und auch sein Puls fühlte sich einigermaßen normal an.
»Gute Arbeit«, lobte der Rettungsarzt und klopfte dem
Minister, den er allerdings erst danach als solchen erkennen sollte,
anerkennend auf die Schulter. Ein Ritterschlag hätte den ehemaligen Pfadfinder
Michael nicht stolzer machen können.
Auf der Treppe zum Allerheiligsten erkannte er einige
Journalisten, die ihn freundlich interessiert grüßten. Auch der würdige ältere
Herr, der ihm entgegenkam und ihm höflich zunickte, kam ihm bekannt vor. War
das nicht der Rektor der Uni gewesen? Oder der Dekan der juridischen Fakultät?
Na egal, auf jeden Fall irgendein ehrenwerter Universitätsprofessor halt.
Der Zwischenfall hatte bedauerlicherweise eine Verspätung von
gut 15 Minuten zur Folge. Und das ausgerechnet bei seinem ersten Treffen mit
dem Herrn Bundespräsidenten.
Dieser zeigte sich wider Erwarten voll informiert und sah das
Ganze nicht so eng. »Respekt, Herr Doktor Schneckenburger, das haben Sie toll
gemacht.«
Das Bedauern Mikis über die Verspätung wischte das
Staatsoberhaupt einfach zur Seite. Im Gegenteil, er klopfte dem Minister sogar
lobend auf die Schulter. Fast genau auf dieselbe Stelle wie der Rettungsarzt
kurz zuvor.
»Ich bitte Sie«, meinte Dr. Schiefer daraufhin, »die paar
Minuten sind nicht der Rede wert. Was kann denn wichtiger sein, als ein
Menschenleben zu retten?« Er lächelte verschmitzt. »Na ja, vielleicht zwei oder
drei. So, jetzt lassen Sie uns zum eigentlichen Anlass dieses Treffens kommen.«
*
Im Café Kaiser hatte sich Palinski mit einem
großen Braunen und einer Portion Schokoladenpalatschinken begnügt. Ihm war
gerade noch rechtzeitig eingefallen, dass er am Abend ohnehin von Frau
Wurminzer verwöhnt werden würde. Es war wirklich erstaunlich, wie gut diese
Frau kochte. Nicht nur im Gegensatz zu Wilma, die ja auch kochen konnte, es
leider nur sehr selten tat.
Nein, die alte Dame auf der Stiege 3 war tatsächlich eine
exzellente Köchin, die ihn nun einmal gerne mochte. Allerdings durfte er das
nicht einreißen lassen. Sonst würde er sich in ein, zwei Monaten mindestens
zehn Kilo angefressen haben.
Spätestens dann würde er, Palinski, den man mit Nachsicht
aller Taxen gerade noch als stattliche Erscheinung bezeichnen konnte, nur mehr
blad sein.
Auf dem Weg nach Hause hatte er überlegt, dass es eine nette
Idee wäre, seine Gastgeberin mit einem schönen Strauß zu überraschen.
Im
Blumengeschäft hatte sich dazu noch der Genieblitz gesellt, diese Gelegenheit
wahrzunehmen und auch Wilma wieder einmal eine Freude zu machen. Gerade nach
den etwas heiklen letzten Tagen war das bestimmt nicht verkehrt.
Deshalb war Palinski, beide Hände voll mit Blermerln [46] ,
in den dritten Stock gestiegen, in der Hoffnung, Wilma anzutreffen. Allein, die
Liebe seines Lebens war nicht anwesend. Was bei kritischer Betrachtung nicht
weiter erstaunte, war sie doch um diese Tageszeit fast nie zu Hause. Außer
vielleicht an Wochenenden oder im Krankheitsfalle.
Auch gut, dachte Palinski, somit wollte er sich
jetzt eben den seltenen Luxus eines ausführlichen Mittagsschläfchens gönnen.
Damit er abends in Form war. Nicht unbedingt für die Wurminzer, sondern
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