Diamantenschmaus
war ganz aufgeregt, denn
endlich hatte er etwas, mit dem er Franka Wallners drängende, nicht
unberechtigte Kritik an seiner bisherigen Vorgangsweise im Fall Lesonic
entkräften konnte.
Als er vier
Minuten später wieder zurück war, konnte er allerdings nur mehr die inzwischen
eingetretene Katastrophe dokumentieren.
Sein entsetztes »Nein, Frau Pitzal, nicht« konnte auch nicht
mehr verhindern, dass der wunderschöne Abdruck der Schuhsohle dem vernichtenden
Einfluss des Putzfetzens einer wirklich pflichtbewussten Hausbesorgerin zum
Opfer gefallen war. Es war allein seine Schuld, er hätte das Areal irgendwie
sichern müssen. Frau Pitzal hatte lediglich ihre Pflicht getan, und das
ausgesprochen vorbildlich.
Angefressen und böse auf sich selbst, stieg Palinski in den
zweiten Stock hoch. Alles in allem kam er um etwa 15 Minuten zu spät.
Darüber hinaus hatte er, wie ihm erst an der Türe bewusst wurde, auch noch die
Blumen für Frau Wurminzer vergessen.
Immerhin hatte er einen begründeten Verdacht, wer Karl
Lesonic umgebracht hatte. Beweisen konnte er allerdings noch nichts.
Wie auch immer, good old Hermi schien hocherfreut, ihn
endlich wieder bei sich zu Gast zu haben.
Palinski war sich jedoch nicht ganz sicher, ob diese Freude
den ganzen Abend über anhalten würde.
*
Im Laufe des Nachmittags hatte sich der
Präsidialchef der Präsidentschaftskanzlei mit dem Obersten Nachrichtenchef der
TV Austria in Verbindung gesetzt und den dringenden Wunsch des Herrn
Bundespräsidenten nach fünf Minuten Sendezeit vor Beginn des
Hauptabendprogrammes übermittelt.
Das Staatsoberhaupt habe dem österreichischen Volk eine
wichtige Mitteilung hinsichtlich der zukünftigen Regierung zu machen. Der Herr
Bundespräsident bedauerte die Umstände, die sein kurzfristig geäußerter Wunsch
möglicherweise für die Fernsehanstalt bedeutete, und dankte für das freundliche
Entgegenkommen.
Das war kein
Problem für die Verantwortlichen. Als politische Menschen und Journalisten, die
sie zum größeren Teil auch waren, hatten sie stets mit dieser Möglichkeit
gerechnet und sie eingeplant.
Darüber hinaus
war bereits einen Tag vor dem offiziellen Ersuchen ein inoffizielles Aviso
erfolgt, um allen Eventualitäten vorzubeugen. Die TVA war demzufolge bestens
vorbereitet und brauchte nur mehr die bereits vorbereiteten Hinweise auf die
Sondersendung zu bringen, die exakt von 20.08 Uhr bis 20.14 Uhr stattfinden
sollte.
*
Kaum hatte Palinski die kleine Wohnung betreten,
als ihm Frau Wurminzer ein Glas mit einem rötlich gefärbten Inhalt aufnötigte,
der nach Alkohol roch.
»Komm, mein Junge«, rief sie fröhlich, »heute wollen wir alle
lästigen Formalitäten beiseitelassen. Sag einfach Du und Tante Hermine zu mir.
Du bist der Mario«, sie kicherte. »Das habe ich ganz allein herausgefunden.«
Daraufhin knallte sie ihr Glas gegen seines, rief nochmals ›Prost‹,
stürzte den Inhalt in sich hinein und feuerte ihn an, es ihr nachzumachen.
Verdammt, schmeckte das Zeug süß und klebrig, einfach
widerlich. Aber das Schlimmste stand ihm erst bevor. Ehe er überhaupt so
richtig wusste, was los war, hatte sich Tante Hermine vor ihm aufgebaut und
sich auf die Zehenspitzen gestellt. Sie nahm seinen Kopf mit beiden Händen, zog
ihn zu sich herunter und … drückte ihm einen feuchten Schmatz mitten ins
entsetzte Zentrum.
»Na, ist das nicht wunderbar«, schwärmte sie. »So, jetzt komm
endlich herein ins Wohnzimmer, mein lieber Bub, wir müssen essen, ehe alles
verkocht.« Sie führte ihn zu einem Sessel, vor dem ein mit Blumen dekorierter
Platzteller am Tisch stand. »Komm, setz dich, Mario.« Sie schubste ihn leicht.
»Nun setz dich endlich«, knurrte sie schließlich.
Kaum hatte Palinski Platz genommen, war sie unterwegs in die
Küche und gleich wieder zurück mit einer Schüssel mit dampfendem, herrlich
duftendem Inhalt.
»Das ist ein Alt-Wiener Suppentopf«, klärte sie ihn auf. »Ich
bin sicher, du wirst ihn lieben.« Und schon teilte der Suppenschöpfer die
eintopfartige Konsistenz dieser Köstlichkeit und verpasste ihm fürs Erste
einmal gut tausend Kalorien auf den Teller.
»Hier«, sie holte eine Flasche hervor, »das soll ein sehr
guter Rotwein sein«, meinte sie. »Ein Lammbruzzler oder so ähnlich, aus
Italien. Bernie hat ihn mitgebracht. Schade, dass du Bernie nicht gesehen hast.
Er ist erst ein paar Minuten vorher gegangen. Bernie ist so ein lieber Bub.«
Sie stellte die Weinflasche vor Palinski auf
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