Diamonds & Rust
Entsetzen über David, dass er in der Lage war, so etwas zu tun, und voller Entsetzen über sich selbst, dass sie es überhaupt so weit hatte kommen lassen. Sie hätte es ahnen müssen, hätte sich gleich denken müssen, dass er nicht nur ein harmloses Essen im Sinn gehabt hatte.
Seine Worte hallten durch ihren Kopf:
»Ich brauche eine Frau … ich zahle Ihnen das natürlich extra«
, und plötzlich klickte etwas in ihrem Kopf, ihre Bestürzung wechselte hinüber in eine eisige Kälte.
Abrupt bückte sie sich und sammelte das Geld ein.
Sie stürzte aus dem Zimmer, stürmte die Treppe hinunter und stieß die Tür zu Davids Arbeitszimmer auf.
David, der am Fenster gestanden und nachdenklich in die Dunkelheit hinaus geschaut hatte, drehte sich überrascht um.
»Vanessa«, sagte er, und er schien erfreut sie zu sehen, doch das Lächeln in seinen blauen Augen trieb den Dolch nur noch mehr in ihre Wunde.
»Das hier«, sagte sie schneidend und warf ihm mit einer verächtlichen Bewegung das Geld vor die Füße, »können Sie behalten. Ich weiß nicht, ob es Ihre Gewohnheit ist, Frauen für ihre Liebesdienste zu bezahlen, aber vermutlich werden Sie ohne Geld keine finden, die sich freiwillig die Hände an Ihnen schmutzig macht. Kein Wunder, dass Ihre Frau abgehauen ist, mit jedem anderen ist sie zehnmal besser dran als mit Ihnen.«
Ruhig ging sie zur Tür, dann drehte sie sich noch einmal herum und fügte unbarmherzig hinzu: »Ich hoffe nur, dass Danny eines Tages nicht genauso ein Mistkerl wird wie Sie.«
Lange hatte Vanessa am Fenster gestanden und in die Dunkelheit des Gartens gestarrt, reglos und wie betäubt.
Irgendwann hatte sie Davids Schritte gehört, langsam die Treppe heraufkommend, vor ihrer Zimmertür kurz innehaltend. Für einen Moment hielt sie die Luft an, aber er ging weiter, und Sekunden später sah sie den Lichtschein aus seinem Schlafzimmer auf den Boden des Balkons fallen.
Während sie das schemenhaft erkennbare Muster der Fliesen betrachtete, dachte sie an den schmerzvollen Blick, mit dem er sie angesehen hatte, als sie ihre ganze Verachtung über ihm ausgeschüttet hatte, und sekundenlang keimte ein Gefühl des Bedauerns in ihr auf.
Sofort schüttelte sie es wieder ab, sie hatte ihn verletzen wollen, genau so, wie er sie verletzt hatte, er hatte es nicht anders verdient.
Kurz darauf war draußen alles so dunkel wie zuvor, dunkel und trostlos wie das lähmende Gefühl, welches von ihr Besitz ergriffen hatte.
Sie ließ sich aufs Bett fallen, heiße Tränen liefen über ihre Wangen; sie weinte, weinte die ganze Nacht hindurch, bis sie irgendwann keine Kraft mehr hatte und einschlief.
Die Sonne war gerade erst aufgegangen, als Vanessa bereits wieder wach war. Ihr Schlaf war kurz und traumlos gewesen, und sie fühlte sich zerschlagen.
Eine Weile wälzte sie sich noch im Bett umher, dann stand sie auf. Gerne hätte sie geduscht, um richtig wach zu werden, doch sie wollte die Geborgenheit ihres Zimmers nicht verlassen, also streifte sie sich achtlos ihre Kleidung über, setzte sich an ihren Schreibtisch und öffnete ihren Laptop.
Zielgerichtet rief sie die Internetseite ihrer Bank auf und überprüfte ihren Kontostand.
Sie notierte sich die Zahl auf einem kleinen Notizzettel und rechnete kurz. Wenn sie das Geld für ihre Fahrkarte abzog, würde ihr gerade noch genug übrig bleiben, um vielleicht die Kaution für eine kleine Wohnung oder ein Zimmer zahlen zu können.
Die Website einer Wohnungsbörse war das Nächste, was sie in den Browser tippte.
Gründlich studierte sie die Angebote, notierte sich ein paar Rufnummern auf ihrem Zettel.
Nachdem sie das so weit erledigt hatte, schaute sie auf die Uhr. Halbsieben.
Sie holte tief Luft und stand auf. Jetzt kam der schwierigste Teil – sie musste sich von Danny verabschieden.
Bei dem Gedanken an den Kleinen stiegen schon wieder Tränen in ihr auf.
Sie nahm all ihre Kraft zusammen, wischte sich mit dem Handrücken die Augen trocken und ging hinüber in sein Zimmer.
Kapitel 18
D anny war bereits wach und hopste quietschfidel in seinem Zimmer herum.
»Nessie«, jubelte er freudig, als sie hereinkam, und fiel ihr um den Hals.
»Hallo Danny«, sagte sie leise, drückte ihn an sich, und versuchte den dicken Kloß herunterzuschlucken, der ihr im Hals saß.
»Schau mal, ich habe dir gestern auch ein Bild gemalt«, sagte er voller Begeisterung und kramte auf seinem Schreibtisch, bis er das Blatt gefunden hatte.
Er drückte es ihr in die Hand, und sie
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