Diana - sTdH 5
die
Hand. Er rieb sich den Handrücken und fragte sich, warum er unbedingt mit ihr
sprechen sollte. Die hübsche Ann warf schmachtende Blicke in seine Richtung.
Wenn er Diana noch ein Kompliment machte, mußte er damit rechnen, daß sie ihm
so kräftig auf den Rücken klopfte, daß er quer durch den Ballsaal flog. Aber
ihre Lippen waren köstlich gewesen. Er runzelte die Stirn bei dem Gedanken.
Diana Armitage war keine geeignete Frau für ihn. Ann Carter dagegen schon. Er
verschwendete seine Zeit.
Er wußte,
daß auf den Volkstanz, den die Kapelle spielte, ein Walzer folgte. Und der
heftige Wunsch, sie wieder in den Armen zu halten, war stärker als alle Logik.
Er
plauderte über seine Pläne, die ehemaligen Osbadiston-Güter zu verbessern, und
als er über seine Sorgen um die Pächter sprach, merkte Diana, wie sich ihr
Gewissen regte, weil sie seit der Beerdigung noch keine Besuche bei den
Pfarrkindern gemacht hatte. Nicht einmal Daphne hatte die Pflichten in der
Gemeinde vernachlässigt, auch wenn sie nur ihr Aussehen im Kopf zu haben
schien.
Nach der
Beerdigung hatte Minerva Besuche in der Gemeinde gemacht und sich ganz
besonders um Mrs. Jones' kränkliches Baby gekümmert. Sie selbst hatte noch
nicht einmal der armen kleinen Frederica seit dem Begräbnis geschrieben. Gleich
heute nacht wollte sie sich hinsetzen, bevor sie zu Bett ging, und Frederica
alles über den Ball erzählen.
»Ich habe
Sie gefragt, ob Sie die Idee für gut halten, Miß Diana, und
Sie haben die Stirn gerunzelt. Bedeutet das, daß Sie meine Frage für
nebensächlich halten?«
»Es tut mir
leid«, antwortete Diana errötend. »Ich habe nicht zugehört.«
Lord Dantrey
sah sie einigermaßen belustigt an. »Sie sind äußerst erfrischend, Miß Diana,
und sehr heilsam für mich. Ich bin schon ganz eingebildet geworden. Es ist eine
wunderbare Sache, reich und adlig zu sein. Die Damen der Grafschaft hängen an
meinen Lippen.«
»Sie
sprachen über das Wohlergehen Ihrer Pächter«, sagte Diana, die sich so sehr
schämte, daß sie es für das beste hielt, die Wahrheit zu sagen, »und dabei
fielen mir all die Pflichten in der Gemeinde ein, die ich vernachlässigt habe.
Der arme Mr. Pettifor. Das ist unser Kooperator. Er arbeitet sehr hart, und ich
fürchte, wir nehmen das immer als selbstverständlich hin. Minerva, meine
älteste Schwester, hat vor ihrer Heirat auch viel getan. Sie hat die Armenkasse
organisiert und die Kranken besucht.«
»Vielleicht
würde es Ihnen in Ihrem Kummer helfen, wenn Sie mehr zu tun hätten«, meinte
Lord Dantrey und blickte sie gespannt an.
»Vielleicht.
Sie müssen mir verzeihen, Mylord. Ich hatte nicht vor, so ernst zu sein.«
»Wichtige
Dinge sollte man immer ernst nehmen. Ich sprach über erfreulichere Dinge, als
Sie nicht zuhörten. Ich frage mich, ob ich nicht einmal bei mir einen Ball
veranstalten sollte. Kann ich Sie nicht überreden, den Walzer mit mir zu
tanzen, Miß Diana? Es ist der nächste Tanz.«
Diana
öffnete den Mund, um abzulehnen, aber in diesem Augenblick sah sie, wie Mr.
Emberton seine schwarzen Locken über Anns blonde Locken beugte und etwas flüsterte,
was die junge Dame zum Lachen brachte.
»Danke,
Mylord«, antwortete Diana. »Ja, ich habe mich entschlossen zu tanzen.«
»Es ist nur
ein Tanz«, neckte er sie. »Kein Gang zum Schafott. Sie sehen ziemlich grimmig
aus. Erzählen Sie mir etwas von Mr. Emberton.«
»Was gibt
es da zu sagen?«
»Eine ganze
Menge. Ist er damals geflohen, weil ich da war?«
»Ich weiß
es nicht. Ich würde die ganze Sache lieber vergessen.«
»Aber er
hat Sie doch ohne Zweifel aufgesucht, um sein Verhalten zu erklären?«
»Wie konnte
er? Er ist ein taktvoller und feinfühliger Gentleman. Er hat sich wegen des
Trauerfalls zurückgehalten. Die Zigeunerin hat gesagt –«
»Die
Zigeunerin! Was für eine Zigeunerin?«
»Nichts«,
murmelte Diana.
»Aha! Sie
haben mit den Zigeunerinnen im Wald gesprochen, und die haben Ihnen
prophezeit, daß Sie einen dunklen, schönen Mann treffen werden. Das sagen sie
nämlich immer«, spottete er. »Welcher Dame wurde je prophezeit, daß sie einem
großen, hellen Mann begegnen würde?«
»Ich glaube
ihr!« rief Diana unbesonnen aus. »Und sie wußte über Sie Bescheid, weil sie
mich davor warnte, daß ein weißhaariger Schuft versuchen könnte, mich aufzuhalten.«
»Erzählen
Sie mir mehr. Das müssen Sie unbedingt tun. Kommen Sie! Bekehren Sie den
Ungläubigen!«
Seine
grün-goldenen Augen unter den schweren Lidern
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