Diana - sTdH 5
auf.
»Flittchen!«
sagte er.
Diana hob
die Hand, um ihn ins Gesicht zu schlagen, aber er ergriff sie und zog sie zu
sich heran, bis sie ganz nahe beieinander standen und sich wütend anstarrten.
»Ja, schaut
sie nur an«, schrie Jack Emberton mit lauter, roher und häßlicher Stimme.
Tiefes
Schweigen trat ein.
»Schaut sie
an, die Turteltauben«, spottete Mr. Emberton. Lord Dantrey ließ Dianas Hand
fallen und schritt auf ihn zu. Mr. Fane kriegte Lord Dantrey zu fassen und hielt
ihn zurück.
»Ich muß
mit Ihren Resten vorliebnehmen«, schrie Emberton. »Sie«, sagte er und zeigte
auf Diana, »Sie hat mich zum Gespött gemacht, weil sie sich wie ein Mann
angezogen und die Nacht mit Dantrey verbracht hat, und dann ist sie mit ihm nach
London gegangen. Sie haben zusammen bei Limmer's gewohnt. Jetzt zwingt mich der
Pfarrer, sie zu heiraten.«
Lord
Dantrey schüttelte Mr. Fanes Griff ab und versetzte Mr. Emberton einen
kräftigen Faustschlag in sein höhnisches Gesicht. Emberton flog nach hinten
und riß Möbel und Gläser mit. Einige Damen schrien oder fielen in Ohnmacht.
Die Herren bildeten einen Kreis und freuten sich, daß dieser langweilige Tag
durch eine zünftige Schlägerei belebt wurde.
Mrs. Carter
schrie und zeterte. Diana warf einen entsetzten Blick in die Runde und rannte
dann aus dem Haus. Sie nahm das erstbeste Pferd, das sie im Stall finden
konnte, und ritt so schnell wie möglich davon. Dabei rutschten ihr die Röcke
über die Beine empor. Ihr einziger Gedanke war, nach Hause zu kommen, etwas
Geld zu nehmen und zu fliehen. Das war ein zu großer Skandal, als daß er je
wieder beigelegt werden konnte.
Sie saß ab,
bevor sie am Pfarrhaus war, und führte das Pferd leise in die Ställe, um kein
Aufsehen zu erregen.
Dann
sattelte sie ihre Stute Blarney, bevor sie ins Haus ging und die Treppe
hinaufschlich. Aus der Küche kam das Klappern von Geschirr und Gelächter. Sie
ging ins Zimmer der Zwillinge und suchte sich ein paar Kleidungsstücke heraus.
Sie war dankbar dafür, daß ihre Brüder so geckenhaft geworden waren, daß sie
mehr Kleidung hatten, als sie jemals tragen konnten. Sie packte eine
Satteltasche voll saubere Wäsche und stellte fest, daß sie noch fast alles von
ihrem ersparten Geld hatte, da sie bei ihrem letzten Abenteuer doch sehr wenig
ausgegeben hatte.
Wieder
einmal schnitt sie sich die Haare mit ungeduldigen Bewegungen ab und warf die
Locken ins Feuer. Dann nahm sie einen Streifen Stoff und schnürte ihre Brüste
so flach wie möglich.
Alles
schien ihr eine Ewigkeit zu dauern, aber in Wirklichkeit war nicht einmal eine
halbe Stunde vergangen. Dann schlich sie leise in das Zimmer ihrer Mutter und
nahm eine kleine gemalte Miniatur von ihr von der Wand.
Sobald sie
unbemerkt aus dem Haus war, schwang sie sich in den Sattel und ritt davon, ohne
sich auch nur einmal umzuwenden.
Neuntes
Kapitel
Als
Frederica in das
Büro der Schulleiterin im Jungmädchenseminar gerufen wurde, war ihr erster
Gedanke, daß sie etwas angestellt hatte. Hatten sie etwa die Kerze gefunden,
die sie sorgfältig unter ihrem Kissen versteckt hatte, um nachts lesen zu
können?
Die Schule
hatte sich schließlich als gar nicht so übel erwiesen. Sie hatte mit einem
fröhlichen lebhaften Mädchen ihres Alters namens Bessie Bradshaw Freundschaft
geschlossen. Bessie war so mitteilsam, wie Frederica verschlossen war, und die
eine ergänzte die andere.
Als
Frederica die Tür zum Büro aufstieß, war sie schließlich überzeugt, daß es die
Kerze sein mußte, und wußte bloß noch nicht, ob sie die Wahrheit sagen oder
lügen sollte, daß sie nicht wußte, wie die Kerze unter ihr Kopfkissen kam.
Die
Schulleiterin war eine schwer zufriedenstellende, verwelkte Dame. Sie war
nicht allein im Zimmer. Ein junger Mann stand
mit dem Rücken zu Frederica am Fenster und schaute hinaus.
»Ah,
Frederica«, sagte die Schulleiterin. »Ich habe deinem Bruder schon gesagt, daß
es üblich ist, uns vierzehn Tage vorher wissen zu lassen, wenn ein Mädchen
Besuch bekommt. Ihr könnt das Zimmer für zehn Minuten haben.«
Der junge
Mann am Fenster drehte sich um, und Frederica schnappte vor Überraschung nach
Luft.
»Ist etwas
nicht in Ordnung?« fragte die Schulleiterin.
»Nein –
nein, Madam«, stammelte Frederica. »Mein Bruder ist nur so groß geworden, daß
ich ihn kaum erkannt habe.«
»Also gut«,
sagte die Schulleiterin. »Zehn Minuten, und nicht mehr.«
Frederica
wartete, bis sich die Türe geschlossen
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