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Dichterliebe: Roman (German Edition)

Dichterliebe: Roman (German Edition)

Titel: Dichterliebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Morsbach
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Wie, nicht mal im Sportverein? Wie ich meine Freizeit verbrächte. – » Welche Freizeit?« scherzte ich. Ich kam nicht auf die Idee zu sagen: Das geht Sie nichts an. Du wirst sie nicht los. Sie leben davon, daß sie zufällig was rauskriegen. Und das bauen sie dann aus.
    » Ist die Sitzung beendet?« fragte ich mühsam ironisch, als sie aufstanden. Im engen Flur blieb der bisherige Schweiger plötzlich stehen und fragte, fast glaubwürdig verblüfft: » Wie kommen Sie denn an einen Eduard Rehling?« Noch im Hinausgehen hatte er die Grafik an der Wand bemerkt, obwohl kein Licht angeschaltet war. » Wo gibt’s denn so was, was hat das gekostet?«
    » Heinrich-Heine-Preis«, sagte ich.
    » Ach so.«
    Als sie hinaus waren, der Schreck: Ich hatte die Grafik beim Künstler direkt gekauft, also schwarz. Daraus konnte man mir einen Strick drehen. Warum hatte ich nicht gesagt: geschenkt? Sie war ja wirklich fast geschenkt gewesen. Aus Erleichterung war ich unachtsam gewesen. Sie leben davon, daß sie zufällig was rauskriegen. Und das bauen sie aus. Mit einiger Mühe arrangierte ich ein Zufallstreffen mit Rehling: Falls man ihn frage, möge er doch bitte behaupten, er habe mir die Grafik als Gratulation zum Heine-Preis geschenkt.
    Das nächste Mal kamen andere, auf dieselbe Weise. Inzwischen war ich darauf eingestellt, wie man auf Landplagen eingestellt war. Im Hausflur seien Kinderwagen verschwunden, war diesmal die Legende. Ich blickte zu Boden: Sie hatten bereits die Schuhe ausgezogen, weil sie möglichst schnell in die Wohnung wollten. Ich hielt sie ein bißchen hin und meinte ihre Verlegenheit zu bemerken. Jeder Nachbar im Treppenhaus, dachte ich, würde zwei sich windende Männer in Strümpfen auf der Matte sofort als Stasi identifizieren. Dann wären sie dekonspiriert. Es kam aber keiner. Als sie drinnen waren, fragten sie direkt, ob ich zu einer Zusammenarbeit bereit wäre: » Befinden uns im Friedenskampf … In dieser Zeit internationaler Konflikte wird jede intellektuelle Kraft gebraucht …« Ein stummer Einfall rettete meine Würde: Ich bin von Beruf Lyriker, und bei dem Wort Friedenskampf muß ich mich leider übergeben. Klar, daß das nicht laut zu sagen war, aber die innere Aufbegehr gab mir Kraft gegen diese Männer, gegen das Anliegen, gegen meine Situation, die übrigens blöde genug war, denn ich schraubte soeben ohne Geschick für den kleinen Erich eine elektrische Eisenbahn zusammen. Ich wies ungeduldig auf diese Eisenbahn und schnauzte: » Sie sehen doch, daß ich anderes zu tun habe!« Die beiden gingen ohne Diskussion.
    Weitere Jahre später hatten sie ein paar Fragen zu dem jungen Mann aus der oberen Etage, der zur Grenze eingezogen werden sollte. Ob der ideologisch sattelfest sei. Diesmal war ich besonders mutig, weil ich getrunken hatte, und rief laut über die Schwelle: » Ah, die Herren von der Staatssicherheit!«
    Diese waren kaltblütig. Sie traten näher, einer beugte sich vor und wendete mit der Rechten fast vertraulich seinen Kragen, hinter dem die Marke zu sehen war – eine Klappkarte von der Größe eines Kofferanhängers, durch ein Bändel mit der Jacke verbunden. » Zeigen Sie mal!« Ich zog ihn heran, wie um besser lesen zu können, und der Mann flog an mir vorbei in den Flur.
    Als sie drinnen waren, verflog mein Rausch. Ich war in schlechter Verfassung. Meine damalige Geliebte war zu ihren Eltern gefahren, nach Sprachregelung eine Trennung auf Probe, aber ich wußte bereits, daß es keine Probe war. Die Männer betrachteten scheinbar mitleidig das unaufgeräumte Wohnzimmer, den verklebten Tisch, den überquellenden Aschenbecher. Es war Juli, aber ein dunkler, kalter Tag wie im November. Ich riß die Balkontür auf, um zu lüften. Ein Windstoß fegte Blätter und Notizzettel zu Boden.
    Wie immer gab es einen Frager und einen Beobachter. Der Frager hob ein Blatt auf und versuchte, meine Kritzelei zu entziffern. Es war ein Gedichtentwurf mit Strichen und Korrekturen.
    » Das ist noch roh!« Verfluchter Reflex: die Scham des Fachmanns, der von der Sache ausgeht und nicht vom Gegenüber.
    » Ich seh’s«, sagte er sarkastisch und ließ los. Der Zettel segelte zu Boden.
    Sie hatten mich. Während ich den Impuls bekämpfte, die Blätter einzusammeln, vernahm ich meinen eigenen Schweißgeruch. Ich ging mit steifen Beinen auf den Balkon, um Luft zu schnappen. Als ich zurückkehrte, saßen sie bereits. Sie bewegten sich synchron. Auch das war eine Botschaft: Sie eingespielt und einig, ich

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