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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wolfrum
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kommunistischen Gebrauch nicht etwas völlig anderes als im liberal-kapitalistischen? Das Problem war, dass sich die Alliierten zwar verpflichteten, gemeinsam für «Deutschland als Ganzes» verantwortlich zu sein – daher wurde ein «Alliierter Kontrollrat» in Berlin eingerichtet –, dass jedoch jede Siegermacht in ihrer Besatzungszone die Politik bestimmen konnte. Weil in den Westzonen und in der Ostzone unterschiedliche gesellschaftspolitische Wege eingeschlagen wurden, ging bald ein Riss durch Deutschland. Mit den «antifaschistisch-demokratischen Umwälzungen» in der sowjetischen Besatzungszone – eine spezifische Entnazifizierung, die Enteignung der Großbetriebe und eine Bodenreform – wurde ein kommunistisches System installiert, das mit westlichen Vorstellungen nicht mehr vereinbar war. Auf vielen Feldern schlug der Osten einen Sonderweg ein. Am frühesten zeichnete sich die Spaltung Deutschlands in den Parteien ab. Zusammen mit den ostdeutschen Kommunisten übte die sowjetische Besatzungsmacht massiven Druck auf die Sozialdemokraten aus und zwang sie im April 1946, sich mit der KPD zur SozialistischenEinheitspartei, SED zusammenzuschließen. Mit dieser Zwangsvereinigung hatte die SPD im Osten aufgehört zu existieren, während sie in vielen Teilen Westdeutschlands die stärkste Kraft war.
    Auf internationalen Konferenzen wurde rasch klar, dass die Zweckallianz des Kriegs zerfiel und die Idee, der Westen könne Deutschland gemeinsam mit den Sowjets regieren, eine Illusion war. 1947 reagierten die Amerikaner mit dem Marshall-Plan, der Europa finanzielle Hilfs- und Wiederaufbaumittel zur Verfügung stellte, aber auch eine ideologische Speerspitze gegen den Kommunismus und die Sowjetunion darstellte. US-Präsident Harry S. Truman hatte zuvor von einer Zweiteilung der Welt gesprochen, und die Trennlinie verlief durch Deutschland. Im Kreml beurteilte Stalin die Lage nicht anders. Die Sowjets gingen davon aus, dass sich zwei Lager unversöhnlich gegenüberstanden und gründeten das «Kommunistische Informationsbüro», das für die Weltrevolution zuständig sein sollte. Nach heftigem Streit über die künftige Deutschlandpolitik der Siegermächte zog die Sowjetunion im März 1948 ihre Vertreter aus dem Alliierten Kontrollrat zurück, der infolge des Einstimmigkeitsprinzips seither nicht mehr arbeitsfähig war. So zerbrach eine wichtige gesamtdeutsche Klammer. Amerikaner und Briten schlossen ihre Besatzungszonen zur Bizone zusammen, später kam die französische Zone noch dazu (Trizone). Der Streit um eine Währungsreform führte 1948 zur Berlin-Blockade der Sowjetunion, was wiederum die Westmächte dazu veranlasste, von «ihren» Deutschen die Gründung eines Weststaates zu fordern. In der sowjetischen Besatzungszone waren die Vorbereitungen für einen Oststaat schon seit langem angelaufen, denn die ostdeutschen Kommunisten drängten früh auf eine eigene Staatsbildung. Dass die DDR erst wenige Monate nach der Bundesrepublik offiziell aus der Taufe gehoben wurde, hatte allein strategische Gründe: So konnte dem Westen die Schuld an der deutschen Teilung in die Schuhe geschoben werden.
    32. Was war das «Päckchen nach drüben»? «Drüben», das bedeutete in den 1950er und 1960er Jahren die «Zone». Es war dort, wo die Deutschen in Unfreiheit leben mussten und nach dem Mauerbau nicht mehr fort konnten. Dort herrschte ein Regime, das auf sowjetischen Bajonetten ruhte. Glücklicherweise stand man «hüben» auf der «richtigen» Seite des Kalten Krieges und konnte sich an der Demokratie, die Wohlstand und Konsum versprach, erfreuen. Die DDRwurde von den meisten Westdeutschen als ein fernes und fremdes Land wahrgenommen, und wie die «Brüder und Schwestern» dort im Alltag ausharrten, darüber hatte man keine genauen Vorstellungen. Hatte das Regime sie alle bereits zu strammen Kommunisten umgemodelt? Das bundesdeutsche Ministerium für gesamtdeutsche Fragen ließ Litfasssäulen mit Plakaten wie «Denk an Drüben» bekleben – aber woran sollte man da denken? – und organisierte einen Versand von Päckchen in die DDR: an Verwandte und Freunde das «Päckchen nach drüben». Enthalten waren zumeist kulinarische Segnungen der Wirtschaftswunder-Konsumwelt, wie Bohnenkaffee, Puddingpulver und auch einmal eine Dose Ravioli. Nicht alles kam dort an, wo es hin sollte, da die Staatssicherheit vieles abfing. Doch über Mauer und Stacheldraht entwickelte sich eine Waren-Kommunikation zwischen West- und Ostdeutschen.

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