Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland
die «Milchseen» und «Butterberge» den Kopf – Resultate einer verfehlten Agrarpolitik. Heute zetert so mancher über den Euro oder das Demokratiedefizit des Europäischen Parlaments. Doch jenseits vieler, auch berechtigter Kritik kann nicht bestritten werden, dass die europäische Integration nach 1945 die erstaunlichste und größte Erfolgsgeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts darstellt. Nach zwei Weltkriegen war Europa 1945 ein Trümmerfeld und auch moralischam Boden; tiefer konnte man nicht mehr sinken. Hatte dieser Kontinent der Gewalt und der Katastrophen noch eine Zukunft?
Der jährlich gefeierte Europatag am 9. Mai erinnert an das Jahr 1950, als der französische Außenminister Robert Schuman einen von Jean Monet – dem schöpferischsten Europäer der Nachkriegszeit – entwickelten Plan vorstellte, die Kohle- und Stahlproduktion Frankreichs und der Bundesrepublik zusammenzulegen. Nachdem sich noch Italien sowie die Beneluxstaaten angeschlossen hatten, trat im Juli 1952 der Vertrag über die Bildung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) in Kraft. Wer kann – so wenige Jahre nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg – verdenken, dass dabei auch das Motiv mitspielte, die Deutschen durch Integration zu kontrollieren. Andererseits beherzigten sämtliche Bundesregierungen ihrerseits bis heute eine Maxime: Im Namen Europas können die Deutschen am wirkungsvollsten eigene Interessen vertreten. Deutschland profitierte am meisten von der europäischen Integration.
Mit den Römischen Verträgen des Jahres 1957 über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und einer Zusammenarbeit zur friedlichen Nutzung der Atomenergie (EURATOM) war für die Bundesrepublik Deutschland die Phase der Eingliederung in den Westen abgeschlossen. Im Juli 1967 kam es zur Fusion der bisherigen drei europäischen Gemeinschaften – EGKS, EWG und EURATOM – zur Europäischen Gemeinschaft (EG). Im Jahr darauf wurde die Zollunion realisiert. Nachdem Frankreich seine Blockadepolitik gegenüber Großbritannien beendete – das 1961, 1962 und 1967 Beitrittsanträge gestellt hatte, aber immer am entschiedenen «Non» des französischen Präsidenten de Gaulle gescheitert war –, konnte die Norderweiterung eingeläutet werden. Mit Irland, Dänemark und Großbritannien bekam die EG 1973 drei neue Mitglieder. Ende der 1970er Jahre stellte sich die Frage der Süderweiterung. In Griechenland, Spanien und Portugal gelang es, autoritäre Regime zu überwinden und den Weg zum Aufbau demokratischer Gesellschaften freizumachen. Musste man diese Länder durch eine rasche Aufnahme in die EG dabei nicht unterstützen? Europa erwies sich als Förderer und Garant einer Demokratisierung. Dies sollte später, nach dem Ende des Kalten Krieges, bei der bisher letzten Erweiterungsrunde, der Osterweiterung, genauso sein. Auch die erste Direktwahl zum Europäischen Parlament vom 7. bis 10. Juni 1979 war ein großes Ereignis; die Parteien nahmen die Wahlen ebenso ernst wie die Wähler.Mittlerweile gelten Europawahlen fatalerweise als Möglichkeit, «Protest» zu wählen.
Die Römischen Verträge von 1957 waren der erste Meilenstein auf dem Weg nach Europa, den ebenbürtigen zweiten Meilenstein bildet der Vertrag von Maastricht von 1992, der aus der Europäischen Gemeinschaft die Europäische Union (EU) werden ließ. Als «Wirtschaftsgemeinschaft» hatte Europa begonnen, nun ging es um die neue Qualität einer «politischen Gemeinschaft». Dies zielte einerseits auf eine politische Verdichtung der Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten und andererseits auf eine gemeinsame europäische Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik.
28. Was war der NATO-Doppelbeschluss? Dieser «doppelte Beschluss» war in mehrfacher Hinsicht von herausragender Bedeutung: International trug er dazu bei, dass die Sowjetunion im Rüstungswettlauf nicht mehr mithalten konnte, auf europäischer Ebene ließ er eine große Friedensbewegung entstehen und im nationalen Rahmen läutete er das Ende der sozialliberalen Regierung ein. Worum handelte es sich?
Seit 1977 war bekannt – vor allem Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte mehrmals darauf hingewiesen –, dass die UdSSR Monat für Monat Raketen mit jeweils drei Sprengköpfen in Dienst stellte, die im Westen als SS-20 bezeichnet wurden. Diese Waffen konnten Westeuropa vom Boden der Sowjetunion aus erreichen, nicht aber die USA, weshalb sie nicht den SALT-Bestimmungen
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