Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
fürchtest. Nein. Ich schlage vor, dass du ihm mein Alter sagst. Heute. Und zwar in seinen Bauernjahren und nicht in Gottesrunenjahren. Außerdem bitte ich dich, mich heute kleiden und benehmen zu lassen wie eine Tochter unseres Mütterhauses. Lass mich so beleidigt sein, wie er mich beleidigt hat, indem er die Schönheit einer anderen der meinen vorgezogen hat, und lass es mich allen verkünden. Lass mich ihn gefügig machen, wie du befohlen hast, aber nicht mit süßlichem Getue, sondern mit der Peitsche, wie es solch ein Hund verdient.«
»Elliania. Nein. Das verbiete ich.« Ein Befehl der Dienerin?
Aber es war Peottre, der ihr antwortete. Er sprang auf und hob die breite Hand. »Hinaus, Weib! Geh mir aus den Augen, oder du bist tot. Ich schwöre es, hohe Frau. Wenn sie jetzt nicht geht, werde ich Eure Dienerin töten!«
»Das werdet ihr bereuen!«, knurrte Henja, huschte aber aus dem Raum. Ich hörte, wie die Tür sich hinter ihr schloss.
Als Peottre wieder sprach, sprach er langsam und mit fester Stimme, als könnten seine Worte Elliania vor einem Abgrund schützen. »Sie hatte kein Recht, so mit dir zu sprechen … aber ich, Narcheska, ich verbiete es.«
»Tust du das?«, entgegnete sie in gleichmütigem Tonfall, und ich wusste, das Peottre verloren hatte.
Es klopfte. Ellianias Vater stand vor der Tür. Er kam herein und begrüßte die beiden, und Elliania entschuldigte sich sogleich, dass sie sich noch für den Ausritt mit dem Prinzen umziehen müsse. Kaum hatte sie den Raum verlassen, da begann ihr Vater eine Diskussion über eine überfällige Schiffsladung. Peottre antwortete ihm, doch sein Blick blieb auf die Tür gerichtet, durch die Elliania verschwunden war.
Kurze Zeit später betrat ich vorsichtig meine Dienerkammer und begab mich von da aus noch vorsichtiger in Fürst Leuenfarbs warme, geräumige Gemächer. Er saß allein am Tisch und beendete gerade seinen Teil des üppigen Frühstücks, das er täglich für uns bestellte. Der gesamte Hof wunderte sich vermutlich schon, wie er so schlank bleiben konnte, obwohl er freimütig zugab, wie viel er aß.
Seine goldenen Augen musterten mich, als ich leise den Raum betrat. »Hm. Setz dich, Fitz. Ich werde dir keinen guten Morgen wünschen, denn dafür ist es offensichtlich schon zu spät. Und? Willst du mir mitteilen, was dich so bedrückt?«
Es war sinnlos zu lügen. Ich setzte mich ihm gegenüber an den Tisch und nahm mir etwas zu essen vom Tablett, während ich ihm Pflichtgetreus gesellschaftlichen Fehler anvertraute. Etwas anderes blieb mir auch gar nicht übrig. Es hatte genug Zuschauer gegeben; also würde ihm die Geschichte ohnehin bald zu Ohren kommen – falls er nicht sowieso Zeuge des Vorfalls gewesen war. Von Nessel sagte ich nichts. Fürchtete ich, dass er Chade zustimmen könnte? Ich bin nicht sicher; ich weiß nur, dass ich es für mich behalten wollte. Auch erzählte ich nichts von dem, was ich durch das Guckloch beobachtet hatte. Ich musste erst einmal selbst darüber nachdenken, bevor ich diese Information mit jemand teilte.
Nachdem ich meine Geschichte beendet hatte, nickte der Narr. »Ich war gestern Abend nicht an den Spieltischen; stattdessen habe ich einem Barden von den Äußeren Inseln gelauscht, der vor kurzem eingetroffen ist. Aber ich habe die Geschichte trotzdem noch gehört, bevor ich mich zurückgezogen habe. Ich bin bereits eingeladen worden, heute Morgen mit dem Prinzen auszureiten. Willst du mitkommen?« Als ich nickte, lächelte der Narr. Dann tupfte sich Fürst Leuenfarb die Lippen mit dem Taschentuch ab. »Gute Güte, das war wahrlich ein äußerst unglücklicher gesellschaftlicher Fehltritt. Die Gerüchte werden köstlich sein. Ich frage mich, wie die Königin und ihr Ratgeber das wieder in Ordnung bringen wollen.«
Was das betraf, so gab es keine leichten Antworten. Ich wusste nur, dass ich die Unruhe, die durch diesen Fauxpas hervorgerufen wurde, nutzen konnte, um zu sehen, wer auf wessen Seite stand. Gemeinsam mit dem Narren aß ich die Teller leer. Dann brachte ich das Geschirr in die Küche runter, wo ich eine Weile blieb. Ja, auch unter den Dienern kursierten bereits Gerüchte, und sie spekulierten darüber, ob zwischen dem Prinzen und Lady Vance vielleicht mehr lief als nur ein Spiel. Irgendjemand behauptete sogar, er habe sie vor mehreren Abenden allein in den verschneiten Gärten spazieren gehen gesehen. Eine Kammerzofe berichtete, dass Herzog Shemshy äußerst angetan sei, und sie zitierte ihn mit der
Weitere Kostenlose Bücher