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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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während alle auf die Narcheska und Peottre warteten.
    Und das dauerte …
    Dieses Zuspätkommen war eine List, aber obwohl ich das wusste, wurde ich nervös. Kettrickens Blick zuckte immer wieder zur Tür, und Pflichtgetreus Lachen über Chades Bemerkungen klang gezwungen. Arkon runzelte die Stirn und sprach in barschem Ton mit dem Mann neben ihm. Die Verzögerung dauerte lange genug, dass uns allen der Gedanke kam: So drückt sie ihr Missfallen gegenüber Prinz Pflichtgetreu aus. Sie wollte ihn vor all seinen Freunden und seiner Familie demütigen, indem sie ihn schlicht stehen ließ. Aber wenn sie zugleich ihren Vater vor der Königin in Verlegenheit brachte – würde das Ärger in der Familie bringen? Chade und Kettricken hatten gerade begonnen, darüber zu diskutieren, ob man einen Diener nach der Narcheska schicken sollte, als plötzlich Peottre erschien.
    Im Gegensatz zu den anderen Outislandern trug er ausschließlich die Kleidung seiner Heimat. Den Eindruck, den er damit erweckte, war jedoch nicht der von Barbarei, sondern von Reinheit. Seine Hosen bestanden aus Leder, sein Mantel aus prächtigem Fell, und sein Schmuck waren Elfenbein, Gold und Jade. Die Schlichtheit seines Stils zeigte, dass er bereit war zu reiten, zu jagen oder zu kämpfen, und dass er sich nicht von irgendwelchem Zierrat dabei behindern lassen wollte. Er trat an die oberste Stufe über uns und stand da, als hätte er eine Bühne betreten. Glücklich sah er nicht gerade aus, aber entschlossen. Während er dort stumm stand, die Arme vor der Brust verschränkt, senkte sich Schweigen über die Versammelten. Alle Augen richteten sich auf ihn. Als er das sah, sprach er ruhig und in freundlichem Tonfall, der jedoch gleichzeitig verriet, dass er keinen Widerspruch dulden würde.
    »Die Narcheska wünscht, dass ich allen zu verstehen gebe, dass das Alter in den Gottesrunen anders berechnet wird. Sie fürchtet, dass Unwissenheit zu Missverständnissen ob ihres Status bei unserem Volk geführt haben könnte. Nach unserem Standard ist sie kein Kind mehr, und ich vermute, auch nicht nach Eurem. Auf unseren Inseln, wo das Leben weit härter ist als in Eurem angenehmen Land, betrachten wir es als Unglück, ein Kind in den ersten zwölf Monaten seines Lebens zur Familie zu zählen, da es noch so leicht das Leben verlieren kann. Auch geben wir unseren Kindern erst Namen, wenn sie das erste, entscheidende Jahr überlebt haben. Nach unserer Gottesrunenrechnung ist die Narcheska also elf Jahre alt, beinahe zwölf; doch nach Eurer Zeitrechnung ist sie zwölf, kurz vor der Dreizehn. Fast so alt wie Prinz Pflichtgetreu.«
    Die Tür öffnete sich hinter ihm. Kein Diener hielt sie auf; die Narcheska schloss sie selbst wieder hinter sich. Sie stellte sich neben Peottre, genauso gekleidet wie er. Die ganze Bocksburgpracht hatte sie abgestreift. Ihre Hose bestand aus getupfter Robbenhaut, die Weste aus Rotfuchsfell. Der Mantel, den sie sich über die Schulter gelegt hatte, und der ihr bis zu den Knien reichte, war aus weißem Hermelin gefertigt und mit kleinen schwarzen Fellschwänzen verziert. Sie zog die Kapuze über den Kopf und lächelte kühl auf uns herab. Dann bemerkte sie: »Ja, ich bin fast genauso alt wie Prinz Pflichtgetreu. In unserem Land wird das Alter anders errechnet. Auch unsere Ränge unterscheiden sich von den Euren. Zwar bekam auch ich erst im Alter von einem Jahr einen Namen, doch von Anfang an war ich die Narcheska. Wenn ich jedoch recht verstanden habe, wird Prinz Pflichtgetreu kein König sein, noch nicht einmal ein König-zur-Rechten, bevor er nicht sein siebzehntes Lebensjahr vollendet hat. Ist das korrekt?«
    Sie fragte das Kettricken, als sei sie nicht sicher; gleichzeitig stand sie ein paar Stufen über der Königin. Dass sie zu der Narcheska aufblicken musste, schien meine Königin nicht zu stören, als sie erwiderte: »Das habt Ihr durchaus richtig verstanden, Narcheska. Erst wenn er sein siebzehntes Lebensjahr vollendet hat, wird man meinen Sohn als fähig erachten, diesen Titel anzunehmen.«
    »Ich verstehe. Ein interessanter Unterschied zu den Bräuchen meiner Heimat. Vielleicht glauben wir in meinem Land mehr an die Kraft der Abstammung: ein Baby ist schon das, was es einmal sein wird und trägt seinen Titel bereits vom ersten Atemzug an. Ihr in Eurer Bauernwelt wiederum wartet ab, wie sich die Nachkommenschaft entwickelt. Ich verstehe.«
    Als Beleidigung konnte man das eigentlich nicht auslegen. Mit ihrem seltsamen Akzent und

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