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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erhöht. Der Krieg zwischen Bingtown und Chalced hat den Schiffsverkehr südlich von Shoaks nahezu vollkommen zum Erliegen gebracht. Wenn ich das richtig verstanden habe, hatten Chade und Kettricken die Hoffnung schon aufgegeben, dass diese Gesandten kommen würden.«
    »Nachrichten?« Das war alles vollkommen neu für mich.
    »Bingtown hat sich an die Königin gewandt und eine Allianz vorgeschlagen, um Chalced ein für allemal fertig zu machen. Als Lockmittel haben sie ihr Handelsprivilegien in Bingtown angeboten sowie eine weitere Annäherung der beiden Staaten. Kettricken hat das richtig als leeres Versprechen erkannt. Es kann keinen freien Handel geben, solange Chalced nicht aufhört, alle Schiffe aus Bingtown zu belästigen. Ist Chalced erst einmal besiegt, wird Bingtown ohnehin den Handel wieder intensivieren, egal ob die Sechs Provinzen nun im Krieg geholfen haben oder nicht. Bingtown lebt vom und für den Handel. Es kann sich noch nicht einmal selbst ernähren. So. Kühl durchkalkuliert sollen die Sechs Provinzen also ihre eigenen Streitigkeiten mit Chalced eskalieren lassen, ohne allzu viel dabei zu gewinnen. Da dem so ist, hat Kettricken es höflich abgelehnt, sich an dem Krieg zu beteiligen. Nun hat der Rat von Bingtown jedoch angedeutet, dass sie etwas so Außergewöhnliches und Geheimes anzubieten haben, dass man es nicht einem Brief anvertrauen kann. Deshalb die Gesandten hier. Das ist ein cleverer Trick, der mit der Neugier der Königin und ihrer Edelleute spielt. Sie werden aufmerksame Zuhörer haben. Sollen wir essen und dann gehen?«
    Rasch teilten wir das Frühstück zwischen uns, und anschließend brachte ich das Geschirr in die Küche runter. Dort herrschte helle Aufregung. Die unerwartete Delegation verlangte nach einem üppigen Mahl zu ihren Ehren. Die alte Köchin Sara stürzte sich tatsächlich mitten ins Gefecht und verkündete, dass sie alles selber machen würde; diese Bingtowner sollten nicht sagen können, dass es in den Sechs Provinzen an irgendetwas mangelte. Rasch zog ich mich wieder zurück und eilte in Fürst Leuenfarbs Gemächer.
    Die Tür war verriegelt. Auf mein Klopfen und leises Rufen hin wurde sie geöffnet. Ich trat hindurch, schloss sie wieder hinter mir und war vor Schock wie erstarrt. Der Narr stand vor mir. Nicht der Narr in Fürst Leuenfarbs Gewändern, sondern der Narr fast so, wie er gewesen war, als wir beide noch Jungen waren. Es war die Kleidung, die er trug: enge Hose und eine pechkohlrabenschwarze Tunika. Sein einziger Schmuck waren sein Ohrring und ein kleines schwarzweißes Sträußchen. Selbst seine Schuhe waren schwarz. Nur seine Statur schien sich seit damals verändert zu haben; aber schließlich war er jetzt ein Mann. Halb erwartete ich, dass er mit seinem Zepter wedeln oder einen Purzelbaum schlagen würde. Als ich die Augenbrauen hob, sagte er ein wenig verlegen: »Ich wollte Fürst Leuenfarbs Garderobe nicht in euren staubigen Gängen riskieren; außerdem kann ich mich in diesen Kleidern einfach leiser bewegen.«
    Ich erwiderte nichts darauf, sondern entzündete eine Kerze und reichte dem Narren zwei weitere als Ersatz. Dann führte ich ihn in meine Kammer. Ich schloss die Außentür, öffnete den Geheimeingang, und gemeinsam betraten wir Chades Labyrinth. »Wo empfängt Kettricken sie?«, fragte ich verspätet.
    »Im westlichen Empfangssaal. Chade hat mich gebeten, dir zu sagen, dass der Zugang dort in der Außenwand sei.«
    »Angaben, wie wir da hinkommen sollen, wären hilfreicher gewesen, aber egal; wir werden das schon finden.«
    Mein Optimismus war unberechtigt. Wir mussten in einen Teil des Labyrinths, den ich nie zuvor erkundet hatte. Ich frustrierte uns beide, indem ich zwar die Kammer über dem Audienzsaal fand und auch die daneben, aber länger brauchte, um zu erkennen, dass ich eine Ebene tiefer und von da aus in die Außenmauer musste. An einer Stelle gab es eine enge Kurve, durch die ich mich kaum durchquetschen konnte. Als wir schließlich unseren Spionageposten erreichten, waren wir beide voller Spinnweben. Das einzige Guckloch war ein schmaler, horizontaler Schlitz. Ich schirmte die Kerzenflamme ab und hob dann die Lederklappe, die das Guckloch von unserer Seite aus bedeckte. Der Narr und ich standen dicht beieinander und konnten immer nur mit einem Auge durchsehen. Das Atmen des Narren an meinem Ohr kam mir unheimlich laut vor. Ich musste mich auf die Worte konzentrieren, die nur leise unser Versteck erreichten.
    Wir waren spät dran.

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