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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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dessen hinaus, wovon mir klar war, dass ich es sagen musste. »Mit einem Mädchen Liebe zu machen, macht dich noch lange nicht zu einem Mann. Du hast kein Recht, das zu tun; nicht bevor ihr beide euch öffentlich zu eurer Beziehung bekennt und auch für eure Kinder sorgen könntet. Du solltest sie nicht wiedersehen, Harm. Nicht so jedenfalls. Wenn du nicht bald zu ihrem Vater gehst und dich ihm stellst, wirst du in seinen Augen nie ein Mann sein. Und …«
    Er ging weg. Mitten in meiner Rede drehte er sich einfach um und ließ mich stehen. Benommen blickte ich ihm hinterher. Ich dachte, er würde schon wieder anhalten, zurückkommen, sich entschuldigen und mich bitten, sein Leben wieder in Ordnung zu bringen. Stattdessen betrat er Meister Gindast Werkstatt, ohne auch nur einen Blick zu mir zurückzuwerfen.
    Eine Zeit lang stand ich im Schnee. Ich war nicht ruhig, ganz im Gegenteil: Wut flammte in mir auf, Wut so heiß, dass sie den Schnee hätte schmelzen können. Ich hatte die Fäuste geballt. Ich glaube, das war das erste Mal, dass ich wirklich richtig wütend auf Harm war und zwar so sehr, dass ich ihm am Liebsten Vernunft eingeprügelt hätte. Ich stellte mir vor, wie ich in die Werkstatt stürmte, ihn herauszerrte und ihn dazu zwang, sich seinen Taten zu stellen.
    Dann drehte ich mich um und stapfte davon. Hatte ich in seinem Alter auf die Stimme der Vernunft gehört? Nein. Das hatte ich nicht, noch nicht einmal, als Philia mir immer wieder und wieder erklärt hatte, warum ich mich von Molly fernhalten solle. Diese Erkenntnis minderte aber weder meine Wut auf Harm noch meine späte Verachtung für meine eigenen Taten in diesem Alter. Stattdessen vermittelte sie mir ein Gefühl der Sinnlosigkeit; hilflos musste ich mit ansehen, wie mein Ziehsohn dieselben Dummheiten beging wie ich. Genau wie ich glaubte er, dass die Liebe die Risiken rechtfertigte, die sie eingingen; nicht eine Sekunde lang dachte er darüber nach, dass wohlmöglich ein Kind den Preis für ihre Unmäßigkeit würde zahlen müssen. Es schien sich alles zu wiederholen, und ich konnte nichts dagegen tun. Ich glaube, in diesem Augenblick verstand ich kurz die Leidenschaft, die den Narren antrieb. Er glaubte an die schreckliche Kraft des Weißen Propheten und seines Katalysten, die Zukunft auf die Schultern zu nehmen und so die Gegenwart auf einen besseren Weg zu lenken. Er glaubte, dass wir mit unseren Taten andere davon abhalten könnten, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
    Als ich schließlich Bocksburg wieder erreichte und in den Gabenturm hinaufgestiegen war, hatte meine Wut schon viel von ihrer Wildheit verloren; doch ihre kranke Last blieb und vergiftete mir den Tag. Ich war fast erleichtert, dass Pflichtgetreu des Wartens überdrüssig geworden und gegangen war. Er hatte nur das Wort auf meiner Notiz unterstrichen. Der Junge lernte allmählich, subtil zu sein. Vielleicht würde es mir wenigstens bei diesem jungen Mann gelingen, ihn vor den Fehlern der Vergangenheit zu bewahren. Bei diesem flüchtigen Gedanken kam ich mir wie ein Feigling vor. Hatte ich Harm schon aufgegeben, ihn seinem eigenen Schicksal überlassen? Nein, beschloss ich, ich hatte ihn nicht aufgegeben … doch dieser Entschluss brachte mich auch nicht der Lösung näher, was ich hätte tun können.
    Ich kehrte in Fürst Leuenfarbs Gemächer zurück und kam gerade rechtzeitig, um mit dem Narren zu frühstücken. Als ich den Raum betrat, aß er jedoch nicht. Stattdessen saß er am Tisch und spielte gedankenverloren mit einem winzigen Blumenstrauß herum. Es war ein ungewöhnlicher Strauß, denn die Blüten bestanden aus Spitzen und Schleifen. Das schien mir ein geschickter Ersatz für eine Jahreszeit ohne Blumen zu sein, und es erinnerte mich an die besonders bunten Kostüme, die der Narr früher im Winter zu tragen pflegte. Er sah, wie ich das Sträußchen betrachtete, lächelte und steckte es sich ans Revers. Es war der Narr, der auf das Essen deutete und sagte: »Setz dich, und iss schnell. Wir sind gerufen worden. Im Morgengrauen hat ein Schiff mit einer Gesandtschaft aus Bingtown angelegt. Und es ist nicht irgendein Schiff, sondern eines ihrer Lebensschiffe mit einer sprechenden, sich bewegenden Galionsfigur. Ich glaube, es heißt Goldunter. So viel ich weiß, ist so ein Schiff noch nie so weit hier rauf gefahren. An Bord befindet sich eine Abordnung des Händlerrats von Bingtown. Sie haben Königin Kettricken in aller Dringlichkeit um eine Audienz ersucht.«
    Die

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